Die sieben freien Künste

Die sieben freien Künste. Aus dem "Hortus Deliciarum" um 1180 © Wikimedia.Commons (allgemeinfrei)
Die sieben freien Künste. Aus dem “Hortus Deliciarum” um 1180 © Wikimedia.Commons (allgemeinfrei)

Die sieben freien Künste (lat. septem artes liberales) waren sieben aufeinander bezogene Studienrichtungen, die zu einer umsichtigen Bildung des Menschen beitragen sollten: Grammatik, Rhetorik, Dialektik (Trivium) und Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie (Quadrivium). Diese Bildung war “frei”. Eine unfreie Bildung als Gegensatz dazu gab es nicht, wohl aber die Unfreiheit. Denn als “frei” galt damals, wer nicht Fronarbeit leisten musste, aber dennoch Lebensunterhalt hatte. Und wer ein Mann war. Die Menschen in Fronarbeit hatten demzufolge kaum eine Chance auf Bildung. Insofern gibt es auch heute noch “freie” und “unfreie” Studierende: Die, die z. B. Bafög/Stipendien/ein reiches Elternhaus haben und die, die für ihr Studium arbeiten gehen müssen und in derselben Zeit ein Studium durchziehen müssen.

Die sieben freien Künste

Wie auch immer: Diese Siebener-Ausrichtung kam wohl erst in der Spätantike beisammen – vor allem bei den Griechen war schon in früherer Zeit auch die körperliche Ertüchtigung durch Sport wichtig, der zu einer guten Ausbildung mit dazu gehörte.

Dazu gingen die männlichen Griechen ins Gymnasion – und das nackt! Wo man heute einen Skandal wittern würde, war das damals völlig normal. Das Wort “Gymnasion” (lat. Gymnasium) leitet sich von gr. “gymnós” = “nackt” ab. Das Gymnasion besaß Unterrichts-, Umkleide- und oft auch Badeanlagen.

Vor dem Unterricht zogen sich die jungen Männer aus und trainierten nackt, da ihre Körper vorher in Gänze mit Öl eingerieben wurden. Auf diese Weise wurde der Körper vor der Sonne geschützt und gegen Austrocknung der Haut vorgebeugt – und sah obendrein auch noch gut aus. Nach dem Sport wurde der Körper mit dem “Strigilis” gereinigt, einem Schaber, mit dem man den Sand, Schweiß und das Öl wieder wegbekam. Bei den frühen Sportspielen in Olympia gewann der Beste als Preis keinen Sportwagen, sondern wertvolles, gutes Öl. Aber zurück zu den Freien Künsten – zur Musik.

Fröhliche Mathematik

“Ich waiß nit z’sagen, wie vil Gut in Musica ist verborgen. Music macht Lust und kürzt die Zeit und ewig und erfreüet. Music lieb ich so lang ich leb, und frölich meine Stimm’ erheb”, dichtete auch die Ulmer Komponistin Barbara Kluntz (1661-1730). In Musik verborgen ist die Mathematik. Auch ich fand Mathe früher ätzend – aber die Musik flog mir zu, dabei auch die Mathematik, was mir früher aber nicht bewusst war, weil man an den Schulen nicht mehr fächerübergreifend denken lernt. Dabei geht leider viel verloren.

Kein Satz mit X

Den “Satz des Pythagoras” können die Meisten noch immer daherleiern: a² + b² = c². Dahinter stecken Berechnungen – aber vor der Berechnung stand die Beobachtung, und darin war Pythagoras ein Meister. Ihn plagte nämlich damals ein Problem: Um 600 v. Chr.: mit einer (Sonnen-/Sand-)Uhr maß man die Zeit, mit proportionierten Gewichten konnte man die Schwere von Gegenständen herausfinden – wie aber maß man den Schall?

Pythagoras stand vor einem nahezu unlösbaren Rätsel, denn Schall ist unsichtbar, das gesprochene Wort hört man – dazu braucht man Ohren, denn das alles kann man auch mit geschlossenen Augen wahrnehmen. Dieses Rätsel war so groß, dass es ihn ziemlich umgetrieben haben muss. Im Grübeln begriffen schlenderte er vor sich hin und kam an einer Schmiede in seiner Heimat Samos vorbei – so will es die Legende. Dort hörte er, wie mehrere Schmiede an einem Amboss mit ihren Hämmern ein Stück Metall bearbeiteten: *kling* – *klang* – *honk* – *plonk* machte das. Warum machten die Hämmer nicht alle das selbe Geräusch? Wurden sie doch mit der selben Kraft geschlagen? In trieb der Wunderfitz.

Klingende Mathematik

Pythagoras betrat die Schmiede und staunte nicht schlecht: die Schmiede hatten leicht unterschiedliche Hämmer: Kleinere und größere. Die kleineren machten *kling* und *klang*, die größeren *honk* und *plonk*. Die unterschiedliche Größe der Hämmer bedeutete unterschiedliches Gewicht derselben. Das Gewicht musste also mit dem *kling* zusammenhängen. Voll Freude über das Gehörte und Gesehene experimentierte Pythagoras weiter und kam dabei einem bestimmten Zahlenverhältnis auf die Spur: Er spannte sich vier gleich lange und gleich gespannte Saiten auf – entsprechend der vier Hämmer. Die Saiten beschwerte er mit unterschiedlichen Gewichten, und zwar so, bis er die Klänge aus der Schmiede erreicht hatte.

In weiteren Experimenten kam er auf immer dieselben Zahlenproportionen. Er konnte so Oktave, Quinte und Quarte voneinander unterscheiden und hatte plötzlich das Rätsel gelöst. Der Geschichte nach soll Pythagoras als Mathematiker und Physiker auch die theoretische Musik erfunden haben. Diese Proportionen wurden später genauer untersucht und wurden auf die Erde und die damals bekannte Welt und den Sternenhimmel angewandt – so entstanden auch all die Abhandlungen zu den “Sphärenharmonien”, welch wundervolles Wort!

Spährenharmonie

In der Antike stellte man sich vor, dass sich die Himmelskörper bewegten und die durchsichtigen Kugeln (!), die sie trugen – also die Sphären – Töne entstehen ließen, die wiederum von deren Abständen der Sphären zueinander und ihrer Geschwindigkeit abhängen, mit der sich diese bewegen. Diese Sphärentöne gäben einen harmonischen Himmelsklang (gr. symphonia), der von Menschen zwar nicht hörbar, aber doch spürbar für die ganze Welt und maßgeblich für die Ausgewogenheit und den Frieden auf der Welt verantwortlich sei. “Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile” – um 350 v. Chr. hatte das auch Aristoteles begriffen.

Auch ein Grund, sich ab und zu ein Konzert mit einem Symphonie-Orchester zu gönnen.

Text erstmals veröffentlicht am 29. Juni 2013 auf Facebook

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