„Mon très cher coeur“
Glenn Closes schauspielerische Leistungen im preisgekrönten Filmdrama Albert Nobbs (2011) sind sensationell an- und berührend. Darin stellt Glenn Close eine Frau dar, die davon träumt, ein selbstständiges Leben zu führen – was im victorianischen England nur möglich ist, indem sie sich als Mann ausgibt.
Wie der fiktiven Figur Albert Nobbs erging es vielen Frauen und v. a. Lesben durch viele Jahrhunderte. Im Zuge der Aufklärung wurden Frauen zusehends emanzipierter. Doch nur einem kleinen und v. a. unabhängigen Teil war es vergönnt, sich so zu geben, wie sie sich innerlich fühlten. Der Rest musste sich verstecken, immer in der Angst, entdeckt zu werden.
„Weibsbild in Hosen … Betrügerin … Verführerin!“ sprang mir in einer 250 Jahre alten Augsburger Tageszeitung entgegen. Ich recherchierte und stieß auf eine sensationelle Geschichte:
Ein Graf, genannt Comte de Tanis d’Auvergne, kam auf abenteuerlichen Wegen von Frankreich über Bonn, Köln und Frankfurt nach München, flüchtete aus dem Nymphenburger Augustiner-Chorfrauenkloster und gelangte nach Augsburg, verdrehte dort zahlreichen Damen der Oberschicht den Kopf, heiratete 1761 eine Patrizierstochter (die kurz darauf starb – wurde sie von Comte de Tanis ermordet, um an die Mitgift zu gelangen?), hatte parallel dazu Affären, darunter die Tochter des bedeutenden Augsburger Barockmalers Gottfried Bernhard Göz und die Oberin eines Konvents, der heutigen Congregatio Jesu (Maria Ward).
Zu dieser Zeit lebte auch Giacomo Casanova in Augsburg, um eine Syphilis auszukurieren. Er ging ins Theater und besuchte Veranstaltungen der Oberschicht. Ihm fiel auf, dass mit dem Ehepaar Tanis, dem er dort begegnete, etwas nicht stimmte – der Graf war eine Frau!
Graf Tanis war vermutlich Undercover-Agent des Kurfürsten von Köln – und sehr wahrscheinlich auch dessen uneheliche Tochter! Graf Tanis hätte in dessen Auftrag geheimnisvolle Briefe nach Rom bringen sollen, die dort allerdings nie angekommen waren. Also schickte Rom einen Inquisitions-Agenten nach Augsburg, der die Briefe an sich nehmen sollte…vergebens. Der Zirkel um Graf Tanis hielt dicht. Die Obrigkeit fuhr daraufhin härtere Geschütze auf und kerkerte den Grafen kurzerhand ein. Um Zeit für seine sorgfältig geplante Flucht gewinnen zu können, musste er seine wahre Identität preisgeben – auf Anraten des Sekretärs des Augsburger Fürstbischofs, der von der weiblichen Identität des Grafen gewusst und ihn/sie beschützt hatte. Wutentbrannt ließ der Augsburger Bischof daraufhin das gesamte Archiv der Congregatio Jesu ausräumen, weil er darin jene wohl politisch hochbrisanten Briefe vermutete. In der Nacht zuvor hatte aber die Oberin bereits mehr als 3.000 prekäre Schriften verbrannt. Niemand im Augsburger Rat wusste währenddessen, wie im Fall eines „Drag Kings“ zu richten und zu handeln sei – andere Richter verhängten noch wenige Jahrzehnte zuvor in den meisten Fällen die Todesstrafe, da der Frevel „Frau in Hosen“ unentschuldbar war. Da der Graf/die Gräfin aber durch höchste Kreise protegiert wurde, gelang ihm/ihr durch externe Vorbereitungen von Helfer_innen eine spektakuläre Flucht aus dem Gefängnis in die Schweiz.
Wer war sie, welchen Stand hatte sie, dass sie dermaßen beschützt wurde? Welches Politikum wurde unter Verschluss gehalten?
Anhand hunderter Liebesbriefe, Verhörprotokolle und Originaldokumente rekonstruiere ich diese atemberaubende Geschichte, die einen noch nie dagewesenen Einblick in das geistliche, gutbürgerliche, künstlerische und vor allem lesbische Liebesleben des 18. Jahrhunderts bietet.
Publikation in Arbeit.
Kosten:
VB (einzelne Vorträge ca. 90 Minuten; Anreise/Übernachtung exklusive)
Besonders geeignet als Vortrag für Kulturzentren, Firmenfeierlichkeiten, private Feste wie Geburtstage etc. – beschenken Sie einen Freund/eine Freundin oder Ihre Kundinnen und Kunden mit einem Vortrag aus meinem Repertoire | Hausbesuche/-vorführungen möglich – Beamer und weitere technische Gerätschaften vorhanden.
Referenzen:
“Ich bin jedes Mal wie weggepustet von Deiner Arbeit und von Deinem unglaublich großen Wissen und der ungeheuren Zuwendung zu lesbischer Geschichte und zu Frauengeschichte, die dahinter steht. Eine Inspiration und ein Leuchtturm, ein weithin sichtbarer Turm in Christine de Pizans Stadt der Frauen.” – Facebook-Followerin
Dieser Vortrag ist eines meiner Highlights. Er lief zum ersten Mal im Spätherbst 2015 zur 1. Lesbischen Kulturwoche ausverkauft in München und in der Folge in verschiedenen Kulturzentren (Stadtbibliothek Memmingen, Frauentreff Ulm, LFT München etc.).