Emilie Goldberger, unbekannte jüdische Clara-Schumann-Schülerin wiederentdeckt

Goldberger-Autograph © Susanne Wosnitzka
Goldberger-Autograph © Susanne Wosnitzka

Clara Schumann kennt man als bedeutendste Pianistin des 19. Jahrhunderts – eine Ikone, weltweit verehrt und geschätzt, zu der man bisweilen auch heimlich wie die legendäre Ethel Smyth ins Konzert schlich. Eine Emilie Goldberger (1858–1944) – deren Klavierspiel im Vielvölkerstaat Österreich, Deutschland und Frankreich ebenfalls zu Beifallsstürmen hingerissen hat und die bei Wiens bedeutendster Salonière Berta Zuckerkandl ein und aus ging – kennt heute niemand mehr. Sie war eine, die zu Clara Schumann von Wien nach Frankfurt pilgerte, um – mit glänzendsten Noten das Wiener Konservatorium abgeschlossen und bereits als aufstrebende Pianistin begehrt – ihr Spiel bei dieser großen Meisterin noch zu vervollkommnen.

Bei Clara Schumann in Frankfurt/Main

Über Emilie Goldberger als Schülerin Clara Schumanns war bis jetzt nichts bekannt. Ich fand sie, als ich historische Augsburger Tageszeitungen auf Musiknachrichten untersuchte. Aus einer kleinen Konzertanzeige entwickelte sich eine berührende Aufblätterung einer verschütt gegangenen Biografie einer faszinierenden Persönlichkeit des Wiener Fin de Siècle und darüber hinaus.

Von Frankfurt aus reiste Emilie Goldberger für rund vier Jahre durch Europa mit besonderem Aufenthalt in Paris. Wen konnte sie dort kennenlernen? Wer hörte ihr dort zu? Einiges kam wieder ans Tageslicht bis in höchste Kreise der Stadt an der Seine, doch leider ist noch sehr, sehr viel zu ihrem Leben und Wirken unbekannt.

Und so glänzend Emilie Goldbergers Karriere begann und aufblühte, so jäh und brutal endete ihr Leben qualvoll als 83-Jährige im Ghetto Theresienstadt. Eine von rund 50.000 aus Österreich, Wien und Umgebung, die vom Wiener Aspang-Bahnhof in den Tod gefahren wurde, eine von über 6.000.000 jüdischen Menschen, die man im Nationalsozialismus gewollt, kalkuliert und organisiert zu Tode gebracht hat.

Webpräsenz für Emilie Goldberger

Normalerweise blogge ich über meine Funde. Zu Emilie Goldberger war das Aufgefundene aber trotz dieser erst kurzen Forschungsspanne (in meiner Freizeit noch dazu) so umfangreich, dass ein einzelner Blogartikel nicht mehr ausreichte. Daher erstellte ich eine von meiner Webseite ausgekoppelte Webpräsenz, in der Sie über Emilie Goldberger erfahren können, eine Timeline mit ihren bislang bekannten Lebens- und Schaffensstationen und Netzwerken sowie ihr Parade- und Konzertrepertoire finden können.

Derzeit (Oktober 2023) ist ein Aufsatz zu ihr fertig, der Ende dieses Jahres in einem renommierten Forschungsinstitut zur Musikgeschichte des Ghettos Theresienstadt erscheinen wird. Eine gedruckte Veröffentlichung auf Englisch in den USA ist angedacht. Die Goldberger-Webpräsenz wird je nach Fundlage laufend aktualisiert.

P.S.: Nicht nur mit Emilie Goldberger konnte ich jüdische Kultur- und Musikgeschichte wieder sichtbar machen. Ins Jüdische Kulturmuseum Augsburg habe ich mittlerweile zwei Privatbände zu jüdischer Geschichte aus historischen Augsburger Tageszeitungen der Jahre 1746 bis 1858 zur Auswertung eingebracht. Ein dritter Band, der bis zum Jahr 1885 reichen wird, ist in Arbeit. Eine offizielle kommentierte Publikation aller drei Bände mit ihren O-Tönen für weitere Grundlagenarbeit wäre wünschenswert.

Die “Löwinnen von Paris” | 17. Mai 2023 Frankfurt/Main

Mittwoch, 17. Mai 2023, Historisches Museum Frankfurt, Saalhof 1, 3tägige Tagung
Vortrag von Susanne Wosnitzka, 10-10:30 Uhr, Die Löwinnen von Paris
Die Teilnahme an der Tagung Die Modernität von 1848/49 ist kostenfrei. Um eine verbindliche Anmeldung zu der Tagung wird gebeten bis zum 30. April 2023 unter erinnerung@bundesarchiv.de

Die Modernität von 1848/49

2023/24 jähren sich zum 175. Mal die Revolution von 1848/49 in Deutschland und Europa und die Eröffnung der deutschen Nationalversammlung am 18. Mai 1848 in der Paulskirche in Frankfurt am Main.

Aus Anlass dieses Jubiläums laden fünf Kooperationspartner zu einer interdisziplinären Tagung über „Die Modernität von 1848/49“ vom 16. bis 18. Mai 2023 nach Frankfurt am Main ein. Die Tagung richtet sich an die Fachöffentlichkeit aus Wissenschaft, Bildungseinrichtung und Ausstellungswesen genauso wie an die interessierte Öffentlichkeit. Um die Revolution 1848/49 wieder ins Zentrum der historischen Forschung und der erinnerungspolitischen Auseinandersetzung zu rücken, werden aktuelle Forschungstendenzen, neueste fachliche Erkenntnisse und Fragestellungen der Geschichtswissenschaft und weiterer verwandter Kultur- und Sozialwissenschaften aufgegriffen.

Dabei steht die Bedeutung der Revolution von 1848/49 für den Aufbruch Deutschlands in die demokratische Moderne und den Übergang zu einer von aktiven Bürger:innen getragenen Zivilgesellschaft im Mittelpunkt von acht Sektionen. Diese zeigen den Zusammenhang von Modernität, Demokratie und Revolution für verschiedene gesellschaftliche Bereiche auf, legen dabei transatlantische und europäische Bezüge frei und behandeln neben der Vorgeschichte der Revolution auch moderne Formen politischer Partizipation, Repräsentation und ihre Beschränkung. Ferner stellen sie progressive soziale Bewegungen und Protestformen, die Revolution und die Geschlechterrollen und den Aufbruch in Kommunikation, Literatur und Medien vor.

Einen besonderen thematischen Schwerpunkt bilden die Biographien der Revolution und ihre Rolle in der Demokratievermittlung, ehe die Innovationen der Revolution, ihre Perspektiven und Grenzen zur Sprache kommen und abschließend das vielfältige Erinnern an die Revolution bis ins 21. Jahrhundert aufgezeigt wird. Diese Einblicke sollen das Innovationspotential, aber auch die Problemlagen sowie die Werte, Ideen und Ziele der Revolution von 1848/49 vor Augen führen, um so ihre Stellung in der Demokratiegeschichte neu vermessen und bestimmen zu können.

Susanne Wosnitzka stellt ihre Forschungen zu den Löwinnen von Paris vor, einer bislang unbekannten französischen Frauenbewegung der Zeit zwischen 1789 und 1850, die auch nach Deutschland getragen wurde und nun eine geschichtliche Lücke für diese Zeit schließen kann.

Eine Veranstaltung von: Institut für soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum, Bochum/Archiv der deutschen Frauenbewegung, Kassel/Historisches Museum Frankfurt, Frankfurt am Main/Bundesarchiv-Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte, Rastatt/Forum Vormärz Forschung e. V., Bielefeld (Stefan Berger/Birgit Bublies-Godau/Dorothee Linnemann/Elisabeth Thalhofer/Kerstin Wolff)

Alle Infos zu dieser Tagung entnehmen Sie bitte der Veranstaltungsseite: https://www.hsozkult.de/event/id/event-134254

Die Löwinnen von Paris | Radio Lora zum Nachhören

Titelcover zu "Die Löwinnen von Paris" © Anita Raphaela Klaiber
Titelcover zu “Die Löwinnen von Paris” © Anita Raphaela Klaiber

Anfang Februar war ich zu Gast im Kofra e. V. in München mit meinem Vortrag zur unbekannten Hosenträgerin Emilie Lehmann, die Revolutions- und Emanzipationslieder verfasste, und zu den Löwinnen von Paris im Mittelpunkt, einer großen ebenfalls noch kaum bekannten Frauenbewegung in Paris, deretwegen noch im 18. Jahrhundert neue Hosenverbots-Gesetze eingeführt wurden, die – lange vergessen – offiziell bis 2013 galten.

Journalistin Elke Amberg hat mich zu meiner Forschungsarbeit interviewt, vor wenigen Tagen im Radio Lora München im Rahmen des Internationalen Frauentags ausgestrahlt wurde.

Jetzt kann man dieses Interview dort auch nachhören oder über YouTube:


Wenn Sie dieses Video ansehen, erklären Sie sich einverstanden mit den Datenschutzrichtlinen von Youtube.

Zeitgleich ist mein Aufsatz dazu auch als gedruckte Publikation erschienen:
OutSisters – InSisters – Lesben. Lesbisch-feministisches Begehren um Autonomie. Reader zum Lesbenfrühlingstreffen 2021 Bremen: «Lesbenfrühling – rising to the roots», herausgegeben von Barbara Guth und Susanne Bischoff, ISBN/EAN 978-3-347-54788-9, Preis 24.90 €/28.00 CHF. Ein dickes Buch von Gewicht: 715 Gramm, 386 Seiten, Format 24 × 17 cm, reich bebildert:

“In den umfangreichen Kapiteln «Auszüge erforschter Frauenliebe», «Feministische Perspektiven frauenliebender Frauen», «FrauenLesbenWirklichkeiten» präsentieren sodann feministische Autorinnen aus verschiedenen Ländern Ausschnitte ihrer Arbeiten für historische, kulturelle, künstlerische, körper-, gesundheits- und gesellschaftspolitische Sichtweisen lesbischer Frauen und laden zum Stöbern, Diskutieren und Forschen ein.”

Ich wünsche damit viel Freude und schöne Entdeckungen!

Augsburg und die Pocken im Kriegsjahr 1871

Alphonse de Neuville: Kämpfe am 18. August 1870 auf dem Friedhof von Saint-Privat © wikimedia.commons (gemeinfrei)
Alphonse de Neuville: Kämpfe am 18. August 1870 auf dem Friedhof von Saint-Privat © wikimedia.commons (gemeinfrei)

Vorab: Dieser Blogtext ist mittlerweile lang, stellt aber gleichzeitig eine Quellenpublikation zu den damaligen Epidemiegeschehnissen in der Stadt Augsburg dar. Aktuell (Stand: 17. Februar 2022) habe ich dieses Seuchenjahr noch nicht abgeschlossen, daher werden weitere Funde untenstehend als Update ergänzt.

Durch den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 fand eine unglaublich starke Truppenbewegung in Europa statt. Die Eisenbahn brachte die Soldaten samt Equipment und Versorgung teils über sehr weite Strecken zu den Kriegsschauplätzen und – als Verwundete und/oder Kriegsgefangene – auch wieder zurück. In den Lagern grassierten durch Massenansammlungen und furchtbare hygienische Zustände vor allem über den Winter in den im Matsch stehenden Zeltstädten ansteckende Krankheiten, besonders Typhus, Augenentzündungen und – alte Bekannte – die Pocken, in dieser Zeit auch noch Blattern [Wikipedia-Artikel, doch VORSICHT: graphic content!] genannt. Durch schnelle Ortswechsel konnten sich die Pockenviren auch schnell verbreiten. Auch der Abriss von Verteidigungsanlagen und der Wegfall von Kontrollmechanismen durch Abschaffung von Eingangskontrollen in den Städten in den 1860er Jahren führten zu lokalen teils sehr heftigen Ausbrüchen. „Augsburg und die Pocken im Kriegsjahr 1871“ weiterlesen

Die Löwinnen von Paris – Frauen in Hosen an vorderster Front | Vortrag

Titelcover zu "Die Löwinnen von Paris" © Anita Raphaela Klaiber
Titelcover zu “Die Löwinnen von Paris” © Anita Raphaela Klaiber

Dienstag, 1. Februar 2022, 19:00 Uhr
Die Löwinnen von Paris. Frauen in Hosen an vorderster Front

Für diesen Vortrag öffnet Susanne Wosnitzka M. A. ihre Schatzkiste an Wissen mit absolut neuen Erkenntnissen aus historischen Zeitungen zu Frauen in Hosen aus der Zeit zwischen 1750 und 1850, die sie im Zuge ihrer Dissertation wiederentdeckt hat. Sie entblättert bislang unveröffentlichtes Material zu Heldinnen auf Schlachtfeldern, Frauenarmeen um 1800 in Europa, Vorkämpferinnen der Frauen(wahl)rechte in völlig neuer Facette. Darunter waren die Löwinnen von Paris, die selbstbewusst neue feministisch-modische Zeichen setzten, von der Justiz angeprangerte Frauen lautstark unterstützten, gesellschaftliche Tabus brachen und untereinander bestens vernetzt waren.

* Von Petitionen um 1830, die gegenderte Sprache forderten!
* Von großen Frauendemos in England bereits 100 Jahre vor der Suffragettenbewegung!
* Feministisch-lesbische Subkultur, die salonfähig wurde.
* Das bislang unbekannte politische Credo von Emilie Lehmann
* Die Hosen-Netzwerke, die sich nach Deutschland erstreckten
*  Was hatte George Sand mit den Löwinnen zu tun?

Live im KOFRA München, Baaderstraße 30, oder per Zoom – je nach Corona-Lage. Zugangslink nach Anmeldung zum Event. Anmeldung via kofra[at]mnet-online.de.

Die Löwinnen von Paris | Vortrag – online!

Die Löwinnen von Paris  Frauen in Hosen an vorderster Front

Freitag, 15. Oktober 2021, 20 Uhr. Online! Um Anmeldung wird gebeten unter das-sarah[at]gmx.de

Für diesen Vortrag öffne ich meine Schatzkiste an Wissen mit absolut neuen Erkenntnissen aus historischen Zeitungen zu Frauen in Hosen – darunter auch Lesben  aus der Zeit zwischen 1750 und 1850, die ich im Zuge meiner Dissertation wiederentdeckt habe. Ich entblättere bislang unveröffentlichtes Material zu Heldinnen auf Schlachtfeldern, Frauenarmeen um 1800 in Europa, Vorkämpferinnen der Frauen(wahl)rechte in völlig neuer Facette. Darunter waren die Löwinnen von Paris, die selbstbewusst neue feministisch-modische Zeichen setzten, von der Justiz angeprangerte Frauen lautstark unterstützten, gesellschaftliche Tabus brachen und untereinander bestens vernetzt waren.

* Von Petitionen um 1830, die gegenderte Sprache forderten!
* Von großen Frauendemos in England bereits 100 Jahre vor der Suffragettenbewegung!
* Feministisch-lesbische Subkultur, die salonfähig wurde.
*  Was hatte George Sand mit den “Löwinnen” zu tun?

Gioachino Rossini – Superstar mit Pelz in Weinheim/Bergstraße

Es war einmal ein Mann, der – in Pelz gehüllt – an einem Tag im Herbst des Jahres 1856 im kleinen Weinheim an der Bergstraße (zwischen Frankfurt/Main und Mannheim gelegen) für einen Straßenauflauf sorgte. Eigentlich sorgte nicht der Mann in Pelz für Furore (der niemand Geringeres als der berühmte Komponist Gioachino Rossini war), sondern womit er reiste: Mit der Extrapost, das heißt einer extra schnellen Kutsche mit vier Pferden für geballte Vorwärtskommkraft und mit zwei Postillonen auf dem Kutschbock, die nicht überall hielt.

Hoch auf dem gelben Wagen
Hermann Kauffmann, Extrapost im Schneesturm, ca. 1855 © darkclassics.blogspot.com
Hermann Kauffmann, Extrapost im Schneesturm, ca. 1855 © darkclassics.blogspot.com

In der Zeit der Romantik waren Postkutschen ein beliebtes Motiv von Maler:innen. Solche Kutschen scheinen um 1856 offenbar aber bereits eine Seltenheit gewesen zu sein; erst wenige Jahre zuvor hatten moderne Eisenbahnen damit begonnen, die althergebrachten Reise- und Postkutschen nach und nach zu verdrängen. Zumindest auf den Straßen, die auf den kürzesten Strecken zwischen A und B mit Schienen für das Dampfross versehen wurden. Mit dem Zug kam man schneller und bequemer voran als in einer Kutsche, deren Pferde zudem an den einzelnen Wegstationen ausgetauscht und/oder umgespannt werden mussten. Die Cholera kam dadurch auch schneller von A nach B, aber das ist eine andere Geschichte.

Rossini im Klangrausch?

„Gioachino Rossini – Superstar mit Pelz in Weinheim/Bergstraße“ weiterlesen

Léocadie de Beauvoir – Das aufmüpfige Geschlecht

Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen nichts“ – Simone de Beauvoir (1908–1986) ist als französische Schriftstellerin und Philosophin weltbekannt. Besonders mit ihrem Werk Das andere Geschlecht (1949) hat sie einen Meilenstein der feministischen Literatur geschaffen. Aber wer kennt Léocadie de Beauvoir (1823–1859), die ein freies und eigenständiges Publizieren nicht nur für – die mit ihr nicht verwandte – Simone de Beauvoir, sondern wohl für alle Schriftstellerinnen durch ihre Hartnäckigkeit erst ermöglicht hat?

Genau. So habe ich auch geschaut, als ich heute diese ganz besondere Nachricht im Augsburger Tagblatt entdeckt habe und dieser weiter nachgegangen bin im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten bzw. Unmöglichkeiten.

Wer war Léocadie de Beauvoir

und was genau war dieser offensichtliche Meilenstein der Frauengeschichte und Frauenliteraturgeschichte, den sie da offenbar lange vor Simone de Beauvoir geschaffen hat? „Léocadie de Beauvoir – Das aufmüpfige Geschlecht“ weiterlesen

Politisches Credo in Hosen mit Löwinnen | #femaleheritage

„Wenn wir jedoch verstehen wollen, warum Frauen, selbst wenn ihnen nicht der Mund verboten wird, noch immer einen sehr hohen Preis zahlen, um Gehör zu finden – und wenn wir daran etwas ändern möchten –, dann müssen wir einsehen, dass das Ganze komplizierter ist und eine lange Geschichte dahintersteht.“ – Mary Beard, mit Weitsicht

Sie hat recht. Es. Ist. Kompliziert. Und es ist mit einer langen Geschichte dahinter. Auch noch unbekannter Geschichte, die ich in diesem Blogtext mit einer neuen Theorie für die #femaleheritage-Blogparade der Monacensia München erstmals vorstellen möchte. Was es nicht weniger kompliziert macht. Das Bekannte sind einzelne Leuchtpunkte der Frauenbewegungsgeschichte, die aber offenbar ein ganzes Lichtermeer hinter sich gehabt haben in Form einer noch unbekannten Pariser Frauenbewegung, die über klare Erkennungsmerkmale verfügte, einen Namen hatte und die meinen Überlegungen nach wegweisend für die deutsche Frauenbewegung ab 1848/49 gewesen war.

Neue Wege

Seit Jahren beschäftige ich mich im Rahmen meiner musikwissenschaftlichen Dissertation mit mehreren historischen Augsburger Tageszeitungen, die ich für die Jahre 1746 bis 1878 hauptsächlich auf Musikkulturnachrichten in Gänze abgegrast habe. Das ergab ein unglaublich dichtes Netz an großteils unbekannten Informationen nicht nur zum Musik- und Kulturleben, das Hand in Hand ging, sondern auch zu allem, was die Menschen bewegt hat. Angefangen von seltsamen Wettererscheinungen und Naturkatastrophen (lückenlos dokumentiert) und neuen Erfindungen (und bekannte, die teils noch weiter zurückdatiert werden können), über unbekannte Episoden und Einzelschicksale aus der Französischen Revolution bis hin zu politischen Begebenheiten, die die Welt aus den Fugen gebracht haben. „Politisches Credo in Hosen mit Löwinnen | #femaleheritage“ weiterlesen

Recycling 1850 – aus Obstkisten werden Särge

In den 1830er/1840er Jahren setzte durch Trockenperioden eine starke Nahrungsmittel- und Holzteuerung ein (was zu organisiertem Abbau von Torf führte). In Augsburg kauften sozial eingestellte Kulturvereine große Holzlieferungen an, um diese an arme Menschen auszuteilen. Das dafür benötigte Geld wurde zum Beispiel durch Benefizkonzerte in der Goldenen Traube erspielt. In jener Zeit wurde verwertet, was zu verwerten war. Recycling spielte von jeher eine große Rolle zum Beispiel in der Verwertung von alter Kleidung, aus der Papier hergestellt wurde.[1]

Durch Seuchen wie die Cholera, “nervöses Fieber” unbekannter Art und Blattern, die in den 1830er und 1840er Jahren von St. Petersburg bis Paris besonders stark wüteten, hatte man für pietätvolle Bestattungen einen erhöhten Bedarf an Holz. Da dieses rar war, kam man in London auf eine findige Idee, diesem Mangel abzuhelfen: Man wies Händler im nahen Ausland an, ihre Warenkisten bereits in bestimmten Größen und Formen anfertigen zu lassen, die in London dann nur noch schwarz angestrichen werden mussten. Fertig war der Recycling-Sarg!

Recycling gruselhaft
Recycling: Obstkisten zu Särgen
Recycling: Obstkisten zu Särgen

Augsburger Tagblatt, No. 137. Montag 20. Mai 1850, S. 691: “In London hat man in der neuesten Zeit eine eigenthümliche Art ausfindig gemacht, England ohne große Unkosten mit Särgen zu versorgen: London bezieht Obst, Geflügel, Eier und andere Lebensbedürfnisse von Holland, Belgien und Frankreich; seit Monaten haben nun die Londoner Einkäufer ihren „Recycling 1850 – aus Obstkisten werden Särge“ weiterlesen

+Update+ “KOMPONISTINNEN” | Film-Doku

Premiere Komponistinnen im Babylon-Kino Berlin © Susanne Wosnitzka
Premiere Komponistinnen im Babylon-Kino Berlin © Susanne Wosnitzka

+++Update (Sept. 2020)+++
Komponistinnen war gleich in vier Kategorien für den OPUS-KLASSIK-PREIS 2020 nominiert und gewann in der Kategorie beste audiovisuelle Musikproduktion

+++Update (Feb. 2019)+++
“Musik steht in Claras [Clara Schumanns] ganzem Leben als  durchdringender Strom im Vordergrund, nicht Musik als faktische oder spekulative Funktionalisierung sozialen, ideologischen oder psychischer Teilbereiche. Das ist eine Stufe der Rezeption, die auch der hier in einer verkürzten Collage gezeigte Dokumentarfilm Komponistinnen (D 2018) von Tim van Beveren und Kyra Steckeweh einfordert und weitaus mehr bedeutet als die Würdigung von Komponistinnen unter politischen, emanzipatorischen oder anderen Implikationen: Deren Werke sollen mit der gleichen Selbstverständlichkeit rezipiert werden wie die Ouevres von Männern. Es geht nicht um Quoten, sondern um den Abbau des Legitimationsdrucks gegenüber dem Schaffen von Frauen generell. Dieser wird aber noch oft durch voreingenommene Wertungen verhindert.”
(nmz online, 10. Februar 2019) „+Update+ “KOMPONISTINNEN” | Film-Doku“ weiterlesen

+++vorläufig verschoben+++ Die Löwinnen von Paris | Vortrag

Samstag, 16. Mai 2020, Goslar

Für diesen Vortrag öffne ich abermals meine Schatzkiste an Wissen mit absolut neuen Erkenntnissen aus historischen Zeitungen zu Frauen in Hosen – darunter auch Lesben  aus der Zeit zwischen 1750 und 1850, die ich im Zuge meiner Dissertation wiederentdeckt habe. Ich entblättere bislang unveröffentlichtes Material zu Heldinnen auf Schlachtfeldern, Frauenarmeen um 1800 in Europa, Vorkämpferinnen der Frauen(wahl)rechte in völlig neuer Facette. Darunter waren die Löwinnen von Paris, die selbstbewusst neue feministisch-modische Zeichen setzten, von der Justiz angeprangerte Frauen lautstark unterstützten, gesellschaftliche Tabus brachen und untereinander bestens vernetzt waren.

Von Petitionen um 1830, die gegenderte Sprache forderten! | Von großen Frauendemos in England bereits 100 Jahre vor der Suffragettenbewegung! | Feministisch-lesbische Subkultur, die salonfähig wurde. Was hatte George Sand mit den “Löwinnen” zu tun?

Genauere Informationen dazu werden zu gegebener Zeit noch nachgeliefert.

Die Löwinnen von Paris – Frauen in Hosen an vorderster Front

Für diesen Vortrag öffnet Susanne Wosnitzka ihre Schatzkiste an Wissen mit absolut neuen Erkenntnissen aus historischen Zeitungen zu Frauen in Hosen – darunter auch Lesben – aus der Zeit zwischen 1750 und 1850. Sie entblättert bislang unveröffentlichtes Material zu Heldinnen auf Schlachtfeldern, Frauenarmeen um 1800 in Europa, Vorkämpferinnen der Menschen- und Frauen(wahl)rechte in völlig neuer Facette.

Darunter waren die „Löwinnen von Paris”, die selbstbewusst neue feministisch-modische Zeichen setzten, von der Justiz angeprangerte Frauen lautstark unterstützten, gesellschaftliche Tabus brachen und untereinander bestens vernetzt waren. Von Petitionen um 1830, die gegenderte Sprache forderten! Von großen Frauendemos in London bereits 100 Jahre vor der Suffragettenbewegung!

Warum war es trotzdem bis weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts möglich, ungeliebte Ehefrauen in England auf dem Markt zu verkaufen, und was hielt man in Deutschland davon? Feministisch-lesbische Subkultur, die salonfähig wurde. Was hatte George Sand damit zu tun?

Eintritt: frei (um Spende wird gebeten)

Sehen im Nicht-Sehen

Maria Theresia Paradis. Zeichnung von F. Parmantié, 1784. © Wikimedia.Commons (allgemeinfrei)
Maria Theresia Paradis. Zeichnung von F. Parmantié, 1784. © Wikimedia.Commons (allgemeinfrei)

Erstmals veröffentlicht am 4. April 2016 auf Facebook

Inspiriert durch den Versuch einer Facebook-Followerin, einer blinden jungen Frau zu erklären, wie Sterne aussehen oder wie sie sich anfühlen können, habe ich mich an eine Begebenheit der blinden Komponistin Maria Theresia Paradis erinnert, die durch magnetische Behandlung plötzlich die Sterne sehen konnte, aber den Klang ihrer Musik verlor.

Ich erzähle eine Geschichte von ihr: Es war einst ein kleines Kind, das ein ganz furchtbares Erlebnis gehabt haben musste, denn es wurde über Nacht blind. Man erzählte, es sei ein Feuer gewesen, das sie erschreckt habe, aber vermutlich war es Missbrauch: Ihre Augen verdrehten sich nach innen, sodass es absolut dunkel um sie wurde. Bald darauf stellte man fest, dass sie eine wunderbare Begabung für die Musik hatte und fantastische Melodien auf dem Klavier spielen konnte. Sie erhielt regelmäßig Unterricht und wurde zu einer Sensation, die auch eine Art Rente vom Kaiserhaus bekam. Manchmal spielte sie auch Orgel in einer der Wiener Innenstadtkirchen.

Karriere

Und Maria Theresia Paradis schrieb gern: Eigene musikalische Werke und Briefe an Menschen, die sie über Gespräche und sonstigen Austausch in privaten „Sehen im Nicht-Sehen“ weiterlesen

Schuld war wie immer die Frau?

Madame de Staël 1812 © Wikimedia.Commons (allgemeinfrei)
Madame de Staël 1812 © Wikimedia.Commons (allgemeinfrei)

In den Jahren nach 1800 drängte Napoleon seine Armeen durch Europa. Seine Taten und Untaten sind bekannt und auch, wie er mit Frauen umging. Eine der aufmüpfigsten Frauen dieser Zeit war Madame Germaine de Staël (1766–1817), die man heute als Literatursoziologin bezeichnen würde. Deren Vater war Jacques Necker, Finanzberater von König Ludwig XVI., der aus dem Amt verwiesen wurde. Wie es mit Ludwig ausging, ist ebenfalls bekannt. Durch dieses hohe Amt und diese für das französische Volk unglaublich hohe Verantwortung, geriet auch Neckers Tochter aufs Tapet der Öffentlichkeit.

Kritische Schriftstellerin und Feministin

Sie verfasste kritische Schriften zur damaligen Zeit und v. a. zu Männern (z. B. Briefe über den Charakter und die Schriften von Jean-Jacques Rousseau 1786/87). In ihrem Salon trafen sich zu Revolutionszeiten die gemäßigten Revoluzzer. Als die Revolution zunehmend radikaler wurde, war es ihre Idee, die königliche Familie 1792 zur Flucht zu bewegen (was scheiterte und als Hoch- und Landesverrat angesehen wurde). Sie musste dann selbst fliehen und „Schuld war wie immer die Frau?“ weiterlesen

Lili und Nadia Boulanger | Vortrag

Nadia (18871979) und Lili Boulanger (18931918): Mit einem “Tatütata” von der Straße fing es an – Nadia (die ältere der beiden Schwestern) wollte wissen, warum ein “Tatütata” so klang wie es klang. Mit ihren kleinen Fingern am Klavier erschloss sich ihr so die Welt der Musik, die sie um nichts auf der Welt vernachlässigte. Im Alter von erst 16 Jahren verdiente sie ihren Lebensunterhalt als professionelle Orgelspielerin in Paris als Stellvertreterin und Nachfolgerin von Gabriel Fauré selbst. Als erste Frau am Pult bedeutender Orchester schuf sie für Frauen somit eine Lobby am Dirigierpult; als Musikpädagogin sorgte sie dafür, dass Astor Piazzolla den Tango als seine Linie und Ausdrucksmittel erkannte.

Die Schwestern Boulanger – Genies

Als Gründerin eines eigenen Musikinstituts in Fontainebleau setzte sie sich vor allem für eine französisch-amerikanische Freundschaft ein und führte mit ihren Ensembles erstmals Alte Musik auf. Zeit ihres Lebens setzte sie sich auch unermüdlich für das Werk ihrer früh verstorbenen Schwester Lili ein, die bereits als Achtjährige bei Gabriel Fauré Komposition studierte und 1913 erste Preisträgerin des Premier Grand Prix de Rome als erste Frau überhaupt wurde. Von Ricordi mit einem Arbeitsvertrag bedacht, konnte sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen – über Nacht wurde Lili so zu einer weltweiten Sensation. Heute ist Lili Boulanger meistaufgeführte Komponistin und gilt als Wegbereiterin und Hauptfigur des französischen Impressionismus.

Neue Film-Dokumentation

Am 31. Mai 2018 feierte der Dokumentarfilm Komponistinnen in Berlin Premiere (Produktion: Kyra Steckeweh/Tim van Beveren), in dem Leben und Werk von Fanny Hensel, Lili Boulanger (18931918), Mel Bonis (18581937) und Emilie Mayer (18121883) beleuchtet und teils in ein neues Licht gerückt werden. In diesem Film spreche ich als Expertin über Fanny Hensel und Lili Boulanger. Diese herausragende Dokumentation stellt weltweit die bislang umfangreichste filmische Präsentation von Komponistinnen dar.

Hörbeispiele:
Lili Boulanger, Cortège


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Nadia Boulanger, Lux aeterna


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Kosten:
VB (einzelne Vorträge ca. 90 Minuten; Anreise/Übernachtung exklusive)

Ideal für Kulturzentren, Firmenfeierlichkeiten, private Feste wie Geburtstage etc. – beschenken Sie einen Freund/eine Freundin oder Ihre Kundinnen und Kunden mit einem Vortrag aus meinem Repertoire | Hausvorführungen möglich – Beamer und weitere technische Gerätschaften vorhanden

Germaine Tailleferre (1892–1983) | Vortrag

Germaine Tailleferre (18921983): Eine spontane Taxibekanntschaft, mit der sie sich rasch verheiratete, schoss ihr ein Kind aus dem Bauch – ihre Erlebnisse verarbeitete sie u. a. in wundervollen Konzerten für Harfe. Obwohl in der Künstler/innen-Szene von Paris etabliert, fühlte sie sich zeitlebens oft unsicher und zweifelte an ihrem Können und Talent. Als einzige Komponistin der Groupe des Six (mit Georges Auric, Louis Durey, Arthur Honegger, Darius Milhaud und Francis Poulenc), die sich um Jean Cocteau gebildet und in Eric Satie einen musikalischen Anführer hatte. Gemeinsam wollte die Groupe des Six weg vom Ideal der Romantik und v. a. vom alles überlagernden Stil Richard Wagners. Als Wegbereiterin der gehobenen Unterhaltungsmusik war Germaine Tailleferre auch die erste Komponistin, die sich mit dem neuen Metier “Film” auseinandersetzte und dafür zahlreiche Werke verfasste. Im Alter als Musikpädagogin an Pariser Schulen arbeitend, wurde sie von vielen Kindern als “Frau aus dem Lexikon” bewundert.

Hörbeispiel:
Germaine Tailleferre, Concertino pour harpe et piano (1927)


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Kosten:
VB (einzelne Vorträge ca. 90 Minuten; Anreise/Übernachtung exklusive)

Ideal für Kulturzentren, Firmenfeierlichkeiten, private Feste wie Geburtstage etc. – beschenken Sie einen Freund/eine Freundin oder Ihre Kundinnen und Kunden mit einem Vortrag aus meinem Repertoire | Hausvorführungen möglich – Beamer und weitere technische Gerätschaften vorhanden