Musikfeminismus: Namensgeheimnis um S. Jessel gelöst! +++Update+++

+++Update 15. März 2024+++
Um Missverständnisse zu klären: Das Namensgeheimnis zu Sara Jessel wurde bereits gelöst, und zwar von Kristina Krämer, recherchiert und veröffentlicht in Musik und Musiker am Mittelrhein 2. Dieser wurde mir vor der Recherche bzw. Veröffentlichung zu diesem Blogartikel in der Websuche nicht angezeigt bzw. fand ich keine Treffer für Sara Jessel, wovon ich dann ausging, dass ich hier neu in der Recherche anfangen muss, woraus sich untenstehender Bloginhalt ergeben hat bzw.  eine Parallel- bzw. Nachrecherche. Es war nicht meine Intention, bereits Bestehendes absichtlich zu übergehen.

Nun dokumentiert mein Blogbeitrag aber, wie Forschung funktioniert und welche Gedankengänge und Fragen dahinterstehen. Immerhin ließe sich noch einiges in den bereits bestehenden Artikel ergänzen. Der bereits bestehende Artikel zu Sara Jessel wurde laut Aussage eines befreundeten Bibliothekars nicht gut genug indexiert (ist auch nicht gesichert im Netz als http unterwegs) und wird folglich nicht richtig und nicht von allen Suchmaschinen erkannt oder nur indirekt angezeigt, was suggeriert, dass noch nichts dazu existiert.

Aus diesem Grund kontaktierte mich auch eine Bibliothekarin des Frankfurter Senckenberg-Archivs zu Sara Jessel um Lebensdaten und andere Informationen, weil selbst sie nichts zu Sara Jessel finden konnte. Weil ich dann nachrecherchierte, konnte ich ihr diese Daten liefern. Mit weiteren Funden kam mit dann die Idee, gleich einen Blogbeitrag dazu zu schreiben. Nach meiner Blogartikelveröffentlichung am 8. März kontaktierte mich dann Kristina Krämer und zeigte auf, dass es dazu bereits einen Lexikoneintrag gibt, was ich umgehend hier als auch in allen Plattformen, auf denen ich etwas dazu gepostet hatte, aufzeigte.

Nichtsdestotrotz lasse ich meinen untenstehenden originalen Blogeintrag unverändert, da er aufzeigt, wie in einem Fall einer noch unbekannten Person gedacht werden muss, um Einzelheiten zu ihrem Leben und Wirken wiederzufinden.
Auch manche MUGI–Personenartikel zum Beispiel werden von der Suche nicht erkannt, was möglicherweise damit zusammenhängen kann, dass sich in ihren URL kein Personenname befindet, sondern nur eine Nummer, die die Suchmaschine oft nicht in Zusammenhang bringen kann. Jedenfalls interessante Phänomene, die dabei helfen können, insgesamt Forschungssituationen und Technik zu verbessern. Daran können wir alle nur lernen ♥

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Gewidmet Eva Rieger

S. Jessel – bislang unbekannte Person, deren geistreicher Vortrag zum Thema vergessene Komponistinnen vielfach in wissenschaftlicher Literatur der Frauenmusikforschung zitiert wurde. Ihre Worte – gehalten in einer flammenden Rede bei einem Treffen der Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins am 25. April 1898[1] in Frankfurt am Main – lesen sich teils noch immer hochaktuell:

“Warum giebt es so wenige Componistinnen? Ich möchte den Versuch wagen, einen Nachweis zu liefern, warum die Zahl der komponierenden Frauen eine so geringe ist”, erstmals wiederveröffentlicht von Eva Rieger im Jahr 1980, ganz am Beginn der Frauenmusikgeschichtsforschung. Was für eine tolle Arbeit, solche lange verborgenen Texte wiederzufinden und zusammenzutragen, lange bevor es Google & Co. gab.[2]

Pionierinnen

Heute sind wir dank der Arbeit dieser hartnäckigen Pionierinnen weiter, denn wir fragen uns nicht mehr, warum es so wenige Komponistinnen gibt, sondern: Warum kennt man diese Abertausenden heute bekannten Komponistinnen kaum? Die Suche nach ihnen ist die eine Baustelle, die Verbreitung des Wissens und die Bewusstmachung um sie eine andere. Und auch ein anderer Erzählstrang, daher wieder zurück zu S. Jessel.

S. Jessel: Wer steckt hinter dieser rätselhaften Namensabkürzung?

Diese Woche erreichte mich eine E-Mail einer Bibliothekarin der Musikabteilung Frankfurter Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg – Brigitte Klein (die mir neulich dabei half, einen Brief der jüdischen Clara-Schumann-Schülerin Emilie Goldberger (1858–1942) einsehen zu können) –, die vor einem Problem stand: Sie habe da eine Doublette in der GND (Gemeinsame Normdatei der Deutschen Nationalbibliothek), darin unklare Namensangabe, es scheine sich aber um eine Komponistin zu handeln und ob ich dabei helfen könne, dieses Rätsel zu lösen.

Klar, denn mit diesem Problem habe ich mich nebenbei bereits befasst, weil mir diese Person der S. Jessel auch immer wieder mal über den Weg lief. Der erste Weg der Recherche führt ins Internet. Wenn Google nichts hergibt, dann schaut man als nächstes in puncto historischer Literatur in die Google Books. Pronto! Auf Anhieb gefunden, und mit der ersten Spur gings leichter von der Hand.

Eine Komponistin!

S. Jessel war tatsächlich eine Komponistin. Sogar eine “Vocalcomponistin”[3]. Mit vollem Namen hieß sie Sara Frommaid Jessel, geboren 1855 in Hamburg, gestorben 1900 in Frankfurt am Main. Ihre Eltern waren der Rentier Sigmund Jessel und Sara Jessel geb. von Hirsch.[4] Waren ihre Eltern jüdisch? Die Vornamen Sara und Frommaid lassen durch Namensvergleiche darauf schließen. Sara Jessels Vater Siegmund lässt sich in ein paar Hamburger Zeitungen nachweisen: 1864 half er einem Israel Isaac, ein Testament des verstorbenen Isaac Israel aufzusetzen, das 1865 publiziert wurde.[5] Siegmund Jessel arbeitete als Immobilienmakler und hatte zusammen mit einem Partner seinen Geschäftssitz in Große Bleichen Nr. 45.[6] Siegmund Jessel starb früh: Im Jahr 1872 bereits im Alter von nur 38 Jahren.[7]

Einigen spärlichen Zeitungsfunden nach erlebte Sara Jessel beruflichen Erfolg und Anerkennung durch diese größere Kreise gezogene Rede. Wie aktiv war sie in der Frauenbewegung? Welche Rolle hatte sie im Speziellen in der Frankfurter Ortsgruppe? Nach ihrer fulminanten Rede wurde auch die englischsprachige Presse auf sie aufmerksam und bewarb “a trio in B minor and some solo pieces for violin and violoncello” mit der Bemerkung, dass “Fräulein Sarah [sic] Jessel” in Berlin wohne.[8]

Im Februar 1900 lässt sich Sara Jessel in Frauenleben nachweisen: “Componistin Sarah Jessel aus Frankfurt a. M. hat im „Bechstein=Saal zu Berlin“ ein Concert veranstaltet, in welchem nur Compositionen von ihr aufgeführt wurden, und das fast von der gesammten Berliner Kritik mit lebhafter Anerkennung besprochen wird. Man erkennt allgemein die Begabung der Komponistin an und rühmt besonders ein Clavier=Trio H=moll, welches sich durch reichen Gedankeninhalt und anmuthige Form auszeichnet. Auch einzelne ihrer Lieder legen von dem reichen Talent der Componistin Zeugnis ab.”[9]

Im Feuilleton

Wohl zu diesem Konzert schrieb das Feuilleton der Frankfurter Zeitung mit Bericht vom 7. Januar 1900 aus Berlin: “Die verflossene Woche stellte in der That die Autoren in den Vordergrund gegenüber dem überwuchernden Virtuosenthum. […] Eine Komponistin, eine, die wirklich den Namen verdient, lernte ich in Frl. Sara Jessel = Frankfurt kennen. Ein Klavier=Trio zeigt manchen schönen Gedanken und tüchtige Kenntnisse. Das Thema des ersten Satzes und das Triothema mit seinem graziös geschnörkelten Ornament sind reizend in der Erfindung. In den Schlußsatz schleichen sich manche Trivialitäten ein, die den guten Eindruck etwas abschwächen.”[10]

Nun wissen wir bereits um eine Handvoll ihrer Werke – Klaviertrios schienen es ihr angetan zu haben.

Hat sich im Bechstein-Archiv gegebenenfalls noch ein Programmzettel erhalten? Hier müsste man auch in historischen Berliner Blättern weitersuchen, die wahrscheinlich noch ausführlicher berichteten und noch mehr Werke genau benannten: Wer hat diese Werke einstudiert und gespielt? Je mehr Namen, desto leichter lassen sich Netzwerke nachzeichnen. Wen kannte sie dort? Wie kam sie nach Berlin? Wo lebte sie dort? Wurde sie dorthin eingeladen? War sie auch dort um ihre Rede begehrt in feministisch-musikalischen Kreisen? Wer befand sich darin? Wo finden sich ihre Werke für eine Wiederaufführung heute?

Nachbarin von Clara Schumann?

Wohnort von Sara Jessel, Myliusstraße 50, Frankfurt/Main © Karsten Ratzke (wikimedia.commons CC0)
Wohnort von Sara Jessel, Myliusstraße 50, Frankfurt/Main © Karsten Ratzke (wikimedia.commons CC0)

Aus Sara Jessels Totenschein geht noch hervor, dass sie in Frankfurt in der Myliusstraße 50 gewohnt hat und am 7. Oktober 1900 vormittags um 11 Uhr in ihrer Wohnung gestorben ist. Ihren Tod machte dem Frankfurter Standesamt ein Sargfabrikant namens Carl/Karl Gevers am 8. Oktober bekannt. In welchem Verhältnis stand er zu ihr? Von Sara Jessels Tod sei er “nach eigener Wissenschaft unterrichtet”, wie man sich damals etwas feierlich-umständlich ausdrückte. Hatte er sie tot aufgefunden? War er bei ihr, als sie – ledig geblieben – starb?[11] Woran starb sie und warum so jung? Den Triumph, nach hartnäckigem Kampf 1919 das Frauenwahlrecht zu erhalten, hat sie nicht mehr erleben können.

Beim Stichwort Myliusstraße klingelt etwas. Genau! In der Myliusstraße 32 lebte nämlich Clara Schumann zusammen mit ihrem todkranken Sohn Felix (1854–1879) und ihren Töchtern Marie (1841–1929) und Eugenie (1851–1938) – Letztere war lesbisch, lernte in den 1870er Jahre ihre Lebensgefährtin Marie Fillunger (1850–1930) kennen, lebte bis 1889 in einem Zimmer der Myliusstraße 32 und zog 1891 nach einer Auseinandersetzung ohne “Fillu” nach England (es gab aber ein Happy End).[12] Die bedeutendste und legendärste Pianistin (und Komponistin) des 19. Jahrhunderts hatte das Haus mit der Nummer 32 im Oktober 1878 bezogen, 1882 gekauft und starb darin am 20. Mai 1896.[13]

Sofort ploppen weitere Fragen auf: Lebte Sara Jessel zu ihren Lebzeiten in unmittelbarer Nachbarschaft Clara Schumanns? Kannte sie sie und ihre Töchter persönlich? Ein Blick in digitalisierte Adressverzeichnisse der Stadt Frankfurt hilft weiter: 1892 taucht Sara Jessel erstmals eigenständig im Frankfurter Adressverzeichnis auf, wohnend bis 1895 in der Schönen Aussicht Nr. 42 in Bockenheim (heute Adalbert-  bzw. Nassauer Straße).[14]

1896 lebte Sara Jessel dann als “Private” oder “Privatière” in der Königstraße 11/1[15] (heute Gräfstraße, Originalhaus nicht mehr erhalten), ebenso noch 1899.[16]

Das Haus in der Myliusstraße 50 gibt es noch. Es liegt gleich um die Ecke des wunderschönen Palmenhauses. Als Sara Jessel also 1899 oder 1900 in die Myliusstraße zog (oder umgezogen wurde?), gehörte Clara Schumanns Haus zu diesem Zeitpunkt bereits jemand anderem, nämlich dem Mäzenaten-Ehepaar Ernst und Gertrud Flersheim.[17] Ergo: Sara Jessel war keine Clara-Schumann-Nachbarin, lebte aber doch in sehr interessantem Umfeld!

Privatière

Privatière bedeutete, dass man sich ins Private zurückgezogen hatte, also keinen Beruf mehr ausübte. Diese Bezeichnung war auch gleichzeitig Statussymbol: Sie sagte aus, dass jemand nicht vom Staat abhängig und finanziell so gut aufgestellt war, dass man auch nicht mehr zwangsweise arbeiten musste. Da bereits ihr Vater als Privatier genannt ist, kann man daraus schließen, dass Sara Jessel gut versorgt ihren Kompositionen nachgehen und vom Geld ihres Vaters leben konnte. Deshalb war sie wohl auch nicht gezwungen, heiraten zu müssen, um durch das Gehalt eines Mannes versorgt und dadurch komplett abhängig zu sein. Als “höhere Tochter” hatte sie vermutlich obligatorisch auch das Klavierspielen gelernt.

Weitere Wege

Interessant in Sara Jessels Totenschein ist noch die Angabe, dass sie eine “freie” Religion habe. Lebte sie religionsfrei? Hatte sie sich von einem jüdischen Glauben losgesagt oder war sie gar nicht gläubig erzogen worden? Aufgrund dieser “freien” Angabe könnte sie eventuell Mitglied der Frankfurter Unitarischen Freien Religionsgemeinde gewesen sein.

War Sara Jessel über einen längeren Zeitraum tödlich erkrankt oder ist sie schnell verstorben? Wollte sie deshalb gegebenenfalls in die Nähe von Clara Schumanns ehemaligem Space ziehen, die ihr vielleicht Idol, Vorbild und Trost war? In den Reihen der Clara-Schumann-Schülerinnen wird sie in deren erster Zeit an Dr. Hoch’s Konservatorium nicht geführt. War Sara Jessel ein Naturtalent? Von wem oder womit hat sie das Komponieren gelernt? Viele neue Fragen also, die derzeit noch offen bleiben müssen, aber in interessante Richtungen weisen.

Was hier niedergeschrieben steht, habe ich innerhalb weniger Stunden in meiner Freizeit zusammengetragen. Weitere Recherchen darüber hinaus brauchen Finanzierung. Wenn Ihnen meine Arbeit und dieser Artikel gefallen, freue ich mich über eine Spende via PayPal (Knopf oben rechts). Danke.

Einzelnachweise
[1] Vgl. CRL Library Catalog, Center for Research Libraries Global Resources Network, in: https://catalog.crl.edu/Record/1fbe38ae-3660-5209-b501-5efc227845ef (Stand: 07.03.2024).
[2] Vgl. Eva Rieger (Hg.): Frühe Texte. Frau und Musik. Die Frau in der Gesellschaft. Frankfurt (S. Fischer) 1980, S. 153ff. Dieses Buch ist für kleines Geld antiquarisch erhältlich.
[3] Vgl. Musikalisches Wochenblatt. Organ für Musiker und Musikfreunde. Leipzig, am 25. October 1900, Nr. 44, S. 587, in: https://books.google.de/books?id=R5UPAAAAYAAJ&pg=PA587&dq=Sara+Jessel&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwjAoP2z7uKEAxUicfEDHb9pCTAQ6AF6BAgsEAI#v=onepage&q=Sara%20Jessel&f=false (Stand: 07.03.2024). “Todtenliste. […] Sarah Jessel, Vocalcomponistin in Frankfurt a. M., † daselbst am 7. Oct.“
[4] Vgl. ancestry.de, Sammlung Hessen, Deutschland, ausgewählte Sterberegister 1851–1958, Urkunde Nr.  3347, in: https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/600823933:61119 (Stand: 07.03.2024). Hier falsch als “männlich” und “Fermmaid” eingetragen.
[5] Vgl. Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Montag, den 15. Mai 1865, Nr. 114, S. 1, in: https://zeitungen.sub.uni-hamburg.de/recherche-zeitungen/detail-zeitungen?tx_dlf%5Bdouble%5D=0&tx_dlf%5Bhighlight_word%5D=siegmund%3Bjessel&tx_dlf%5Bid%5D=252309&tx_dlf%5Bpage%5D=1&tx_dlf%5Bpagegrid%5D=0&cHash=6fd18222807ee44b49f3e6f9685fa858 (Stand: 08.03.2024), mit Dank an Bernd-Christoph Kämper für die Auffindung.
[6] Vgl. Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Montag, den 18. Februar 1861, Nr. 42, S. 1, in: https://zeitungen.sub.uni-hamburg.de/recherche-zeitungen/detail-zeitungen?tx_dlf%5Bdouble%5D=0&tx_dlf%5Bhighlight_word%5D=siegmund%3Bjessel&tx_dlf%5Bid%5D=298952&tx_dlf%5Bpage%5D=1&tx_dlf%5Bpagegrid%5D=0&cHash=86971c6dacb78e04b3b42206f4b1becd (Stand: 08.03.2024), mit Dank an Bernd-Christoph Kämper für die Auffindung.
[7] Vgl. Hamburgischer Correspondent. Mittwoch, den 14. August 1872, S. 10, in: https://zeitungen.sub.uni-hamburg.de/recherche-zeitungen/detail-zeitungen?tx_dlf%5Bdouble%5D=0&tx_dlf%5Bid%5D=277024&tx_dlf%5Bpage%5D=10&tx_dlf%5Bpagegrid%5D=0&tx_dlf_navigation%5Bcontroller%5D=Navigation&cHash=3be65ce0b9ad77add141a117f96b5550 (Stand: 08.03.2024), mit Dank an Bernd-Christoph Kämper für die Auffindung.
[8] Vgl. The Violin Times: A Journal for Professional and Amateur Violinists and Quartet Players, vol. 7 (1899), S. 133, in: https://books.google.de/books?id=W6I5AAAAIAAJ&q=Sara+Jessel&dq=Sara+Jessel&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwjAoP2z7uKEAxUicfEDHb9pCTAQ6AF6BAgZEAI (Stand: 07.03.2024).
[9] Vgl. Frauenleben. Blätter zur Vertretung der Frauen=Interessen. Organ des Oesterreichischen Hilfsvereins für Beamtinnen in Wien und des Deutschen Vereines zur Förderung des Wohles und der Bildung der Frauen in Prag (Frauen=Fortschritt). XII.  Jahrgang. Wien, den 1. Februar 1900. Nr. 2, S. 7f., in: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=flb&datum=19000201&seite=7&zoom=56 (Stand: 07.03.2024).
[10] Vgl. Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, 44. Jahrgang, Nr. 9 (zweites Morgenblatt), Mittwoch 10. Januar 1900, S. 1, in: https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/periodika/periodical/zoom/13356285 (Stand: 07.03.2024).
[11] Vgl. Einzelnachweis 4.
[12] Vgl. Eva Rieger: Art. Marie Fillunger, in: https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/marie-fillunger/ (Stand: 07.03.2024).
[13] Vgl. https://www.schumann-portal.de/clara-schumanns-frankfurter-wohnhaus.html (Stand: 07.03.2024).
[14] Vgl. https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/periodika/periodical/pageview/8673691?query=Jessel (Stand: 07.03.2024).
[15] Vgl. https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/periodika/periodical/pageview/8677537?query=Jessel (Stand: 07.03.2024).
[16] Vgl. https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/periodika/periodical/pageview/8679953?query=Jessel (Stand: 07.03.2024).
[17] Vgl. Miriam Olivia Merz: Provenienzforschung: Der Fall Flersheim. WISSEN & FORSCHUNG. Blogbeitrag 16. Juli 2020, in: https://museum-wiesbaden.de/blogbeitrag-16072020 (Stand: 08.03.2024), mit Dank an Bernd-Christoph Kämper für den Hinweis.

Emilie Goldberger, unbekannte jüdische Clara-Schumann-Schülerin wiederentdeckt

Goldberger-Autograph © Susanne Wosnitzka
Goldberger-Autograph © Susanne Wosnitzka

Clara Schumann kennt man als bedeutendste Pianistin des 19. Jahrhunderts – eine Ikone, weltweit verehrt und geschätzt, zu der man bisweilen auch heimlich wie die legendäre Ethel Smyth ins Konzert schlich. Eine Emilie Goldberger (1858–1944) – deren Klavierspiel im Vielvölkerstaat Österreich, Deutschland und Frankreich ebenfalls zu Beifallsstürmen hingerissen hat und die bei Wiens bedeutendster Salonière Berta Zuckerkandl ein und aus ging – kennt heute niemand mehr. Sie war eine, die zu Clara Schumann von Wien nach Frankfurt pilgerte, um – mit glänzendsten Noten das Wiener Konservatorium abgeschlossen und bereits als aufstrebende Pianistin begehrt – ihr Spiel bei dieser großen Meisterin noch zu vervollkommnen.

Bei Clara Schumann in Frankfurt/Main

Über Emilie Goldberger als Schülerin Clara Schumanns war bis jetzt nichts bekannt. Ich fand sie, als ich historische Augsburger Tageszeitungen auf Musiknachrichten untersuchte. Aus einer kleinen Konzertanzeige entwickelte sich eine berührende Aufblätterung einer verschütt gegangenen Biografie einer faszinierenden Persönlichkeit des Wiener Fin de Siècle und darüber hinaus.

Von Frankfurt aus reiste Emilie Goldberger für rund vier Jahre durch Europa mit besonderem Aufenthalt in Paris. Wen konnte sie dort kennenlernen? Wer hörte ihr dort zu? Einiges kam wieder ans Tageslicht bis in höchste Kreise der Stadt an der Seine, doch leider ist noch sehr, sehr viel zu ihrem Leben und Wirken unbekannt.

Und so glänzend Emilie Goldbergers Karriere begann und aufblühte, so jäh und brutal endete ihr Leben qualvoll als 83-Jährige im Ghetto Theresienstadt. Eine von rund 50.000 aus Österreich, Wien und Umgebung, die vom Wiener Aspang-Bahnhof in den Tod gefahren wurde, eine von über 6.000.000 jüdischen Menschen, die man im Nationalsozialismus gewollt, kalkuliert und organisiert zu Tode gebracht hat.

Webpräsenz für Emilie Goldberger

Normalerweise blogge ich über meine Funde. Zu Emilie Goldberger war das Aufgefundene aber trotz dieser erst kurzen Forschungsspanne (in meiner Freizeit noch dazu) so umfangreich, dass ein einzelner Blogartikel nicht mehr ausreichte. Daher erstellte ich eine von meiner Webseite ausgekoppelte Webpräsenz, in der Sie über Emilie Goldberger erfahren können, eine Timeline mit ihren bislang bekannten Lebens- und Schaffensstationen und Netzwerken sowie ihr Parade- und Konzertrepertoire finden können.

Derzeit (Oktober 2023) ist ein Aufsatz zu ihr fertig, der Ende dieses Jahres in einem renommierten Forschungsinstitut zur Musikgeschichte des Ghettos Theresienstadt erscheinen wird. Eine gedruckte Veröffentlichung auf Englisch in den USA ist angedacht. Die Goldberger-Webpräsenz wird je nach Fundlage laufend aktualisiert.

P.S.: Nicht nur mit Emilie Goldberger konnte ich jüdische Kultur- und Musikgeschichte wieder sichtbar machen. Ins Jüdische Kulturmuseum Augsburg habe ich mittlerweile zwei Privatbände zu jüdischer Geschichte aus historischen Augsburger Tageszeitungen der Jahre 1746 bis 1858 zur Auswertung eingebracht. Ein dritter Band, der bis zum Jahr 1885 reichen wird, ist in Arbeit. Eine offizielle kommentierte Publikation aller drei Bände mit ihren O-Tönen für weitere Grundlagenarbeit wäre wünschenswert.

“Clara Schumann hat null Bock” | 20. April 2023 HfM Weimar

Clara Schumann hat null Bock – zur Bedeutung lokaler Zeitungen zur Erforschung des Musikkulturlebens am Beispiel der Stadt Augsburg
Vortrag von Susanne Wosnitzka M. A. als Teil der Ringvorlesung Musik und Gender des Kolloquiums 19. Jahrhundert (Musikgeschichte III) von Prof. Dr. Nina Noeske
Donnerstag 20. April 2023, HfM Franz Liszt Weimar, hzh, Hörsaal, 17:15–1845 Uhr

Hier ein Link zur Veranstaltung: https://www.hfm-weimar.de/institut-fuer-musikwissenschaft-weimar-jena/aktuelles/aktuelles-aus-dem-institut#HfM

Raphaela Gromes: Clara Schumann & mehr | 25. März 2023 Augsburg

Titelbild Veranstaltung MAN-Museum © Staatstheater Augsburg
Titelbild Veranstaltung MAN-Museum © Staatstheater Augsburg

Samstag, 25. März 2023, 19:30 Uhr, MAN-Museum Augsburg, Heinrich-von-Buz-Straße 28, 86153 Augsburg
Einführungsvortrag 18:30 Uhr

Im ersten Kammerkonzert von Raphaela Gromes als Artist in Residence des Staatstheaters Augsburg stehen die Komponistinnen Clara Schumann, Pauline Viardot-García und Luise Adolpha le Beau im Fokus. Die Duo- und Triokompositionen der herausragenden Künstlerinnen des 19. Jahrhunderts wird Raphaela Gromes gemeinsam mit ihrem langjährigen Klavierpartner Julian Riem und dem Violinisten Daniel Dodds präsentieren.

Vortrag zum Konzert: »Null Bock auf München« – Augsburg im Fokus!
Susanne Wosnitzka hat sich intensiv mit der Augsburger Musikgeschichte und Komponistinnen beschäftigt und kann erstmals Clara Schumann und Luise Adolpha le Beau in Augsburg nachweisen. Die Musikwissenschaftlerin bringt alle drei Komponistinnen in einen engen Zusammenhang und gibt weitere unbekannte Einblicke ins Augsburger Musikkulturleben des 19. Jahrhunderts.

Alle Infos dazu sowie einen Link zu den Tickets finden Sie auf der Webseite des Staatstheaters Augsburg: https://staatstheater-augsburg.de/romanzen_mehr

Alte Augsburger Zeitungen in der Zeitung | Interview

Augsburger Zeitungen in der Zeitung? Vor ein paar Wochen besuchte ich das Konzert der Augsburger Pianistin Stephanie Knauer im Schaezlerpalais. Sie glänzte mit einem Strauß an historischen Komponistinnen wie Maria Teresa d’Agnesi Pinottini (1720–1795), Helene Riese (1795–1869), Cecilia Maria Barthélemon (ca. 1768 – nach 1827), Juliane Reichardt (1752–1783), Josepha (Josephine) Barbara von Auernhammer (1758–1820) sowie der Uraufführung eines Werks von Dorothea Hofmann in ihrer Hommage an die Blaugestrumpften. Darin spielte sie auf dem Neupert-Nachbau des historischen Flügels von Johann Andreas Stein, der original im Mozart-Haus steht. Auch ein Werk Ignaz von Beeckes (1733–1803) war dabei, der Johann Andreas Steins Tochter Nannette Klavierunterricht gab – wovon Wolfgang Amadé Mozart überhaupt nicht begeistert war, weil Beecke wohl kein guter Lehrer war.

Fruchtbare Kooperation

Das Interesse an Augsburger Geschichte und Komponistinnen verbindet mich uns Stephanie also – daher schlug Stephanie vor, zu mir und meinen Funden in historischen Augsburger Zeitungen ein Interview zu machen. Darin erzählte ich zu einer von mir aufgefundenen heißen Spur zu Beethovens und Mozart verschollenen Oboen-Konzerten, die aber hier in Augsburg aus Originalmanuskript von Ernst Krähmer im Stadttheater aufgeführt wurden. Oder wie Clara Schumann zu ihren Konzerten in Augsburg kam, wo sie möglicherweise übernachtete (und wo definitiv nicht), wer ihre Konzerte organisiert und wessen Flügel sie spielte. Ebenso mit Unbekanntem zu Franz Liszt, der nicht nur als Kind in der Lechstadt konzertierte. Also ganz aufregende Sachen, die aufhorchen ließen!

Stephanie Knauer: "Hier spielte die Musik im 18. und 19. Jahrhundert", in: Augsburger Allgemeine, Mittwoch 14. September 2022, Nr. 212, S. 29.
Stephanie Knauer: “Hier spielte die Musik im 18. und 19. Jahrhundert”, in: Augsburger Allgemeine, Mittwoch 14. September 2022, Nr. 212, S. 29.

Und so erschien dieser Artikel in Großformat auf halber Seite gestern am 14. September 2022 in der Augsburger Allgemeinen, zu dem bereits ein Echo vorliegt und zu neuen Ideen für Konzerte und Vorträge in Augsburg zu völlig unbekannter musikalisch-gesellschaftlich-sozialer Geschichte führen kann. Bleiben Sie also dran!

Diesen Artikel gibt es auch online als AZ-Plus-Artikel.

Matinée mit Brunch zu Clara Schumann | Ulm

Frühstück – Matinee zu Clara Schumann | 10:00 Uhr – 11:00 Uhr | Frauentreff Ulm | Hinter dem Brot 9 | 89073 Ulm
Vortragsbeginn 11:00 Uhr

Clara Schumann 1857, fotografiert in München von Franz Hanfstaengl © wikimedia.commons (gemeinfrei)
Clara Schumann 1857, fotografiert in München von Franz Hanfstaengl © wikimedia.commons (gemeinfrei)

Wir beginnen mit einem leckeren Frühstück, zu dem bitte jede einen Beitrag fürs Buffet mitbringt. So entsteht wie immer ein bunter und leckerer Brunch, den wir bis 11 Uhr genießen.

Im Anschluss hören wir interessantes von Susanne Wosnitzka über eine berühmte Frau:

Clara Schumann (1819–1896): Nicht “nur” die Frau von …, sondern Managerin ihres Mannes und ihres eigenen Konzertlebens, Mutter (sie gebar 8 Kinder, darunter die lesbische Eugenie), Konzertmeisterin, Komponistin, Pianistin, Salonnière etc. pp. – von ihrem Vater Friedrich Wieck streng und unerbittlich zum “Wunderkind” gedrillt, blieb sie dieser Rolle verhaftet und zog bis zu ihrem Tod eisern ihr Konzertprogramm durch – es war die einzige “Freiheit”, die sie hatte und selbst kontrollieren konnte.

Von Johannes Brahms zur “Überfrau” proklamiert, hatte er selbst für komponierende Frauen nur Verachtung übrig. Clara Schumann war damals die einzige Musikerin, die es schaffte, als evangelisch Getaufte am streng katholischen Hof in Wien zur k. u. k.-Kammermusikerin geehrt zu werden. Ohne ihr großes Zutun hätte sich ihr Mann im teils unbarmherzigen Musik- und Verlagsleben wohl nicht behaupten können.

Durch Entdeckungen in historischen Zeitungen konnte Susanne Wosnitzka Clara Schumann für Augsburg belegen: Wo sie wohnte und Konzerte spielte, auf welchem Flügel und wer ihre Konzerte organisierte – und was Letzteres auch mit Ulm zu tun hat…

Anmeldung erbeten unter: frauentreffulm[at]web.de

Interview – Was Augsburger Zeitungen erzählen | Podcast

Im Frühling 2022 wurde ich von Philipp Janssen (Historiker) zu meinen Funden in historischen Augsburger Tageszeitungen in einem Interview befragt – jetzt wurde es veröffentlicht!

Philipp bietet auf seiner Webseite Anno PunktPunktPunkt eine ganze Reihe von mittlerweile über 80 Podcast-Folgen zu aktueller Forschung aus der Geschichtswissenschaft. In jeder Folge spricht er mit einem Gast über ihr/sein aktuelles Forschungsprojekt. Dabei wird nicht nur ein Projekt an sich besprochen, sondern es wird auch darüber geredet, wie man überhaupt dazu gekommen ist, welche Quellen man nutzt und welchen Forschungsstand man vorgefunden hat. Ziel ist es einerseits dem Projekt und dem Menschen dahinter eine Öffentlichkeit zu bieten, andererseits geht es darum der Hörer:innenschaft dieses Projekt zu vermitteln.

Blick auf Augsburg 1846 © gemeinfrei/Susanne Wosnitzka
Blick auf Augsburg 1846 © gemeinfrei/Susanne Wosnitzka

In der 84. Folge mit mir geht es um Augsburg zwischen dem Mittelalter und dem 19. Jahrhundert. Um eine Gaststätte, die heute vollkommen in Vergessenheit geraten ist. Die aber zu dieser Zeit den wohl weltweit größten Konzertsaal hatte. Über mich als Forschende, die weit über diese Spielstätte hinaus Geschichten und Ereignisse verschiedenster Art in historischen Zeitungen gefunden hat und viel darüber berichten kann. Und besonders zur Augsburger Frauengeschichte!

Einiges davon finden Sie in meiner Sparte blog@augsburg.de, zum Beispiel zu einem Teil der Seuchengeschichte Augsburgs oder zu Clara Schumanns und Franz Liszts Konzerten. Oder zu einem Missing Link zu einer möglicherweise neuen heißen Spur zu Mozarts und Beethovens verschollenen Oboenkonzerten. Dass beide Manuskripte fehlen, ist nämlich kein Zufall.

Unter diesem Link gehts direkt zum Podcast-Interview: https://anno-punktpunktpunkt.de/084-aus-augsburger-zeitungen

Caroline von Staudt – Augsburger Claviervirtuosin mit seltener Bravour

Wie entdeckt man eine unbekannte, verschollen gegangene Pianistin des 19. Jahrhunderts – Caroline von Staudt? Indem man nicht gezielt danach sucht. Sie kennen das: Man stöbert vielleicht jahrelang nach der großen Liebe in irgendwelchen Paar-Foren und Handy-Apps und zeigt sich da von seiner geschlecktesten Seite, findet dann seine große Liebe aber an der Supermarktkasse im Jogginganzug.

So ähnlich finde ich meine ‚Liebschaften‘: Meist im gemütlichen Outfit am Schreibtisch und im Scrollen durch historische Zeitungen. So auch in diesem Fall. In diesem Fall fanden sich aber zusätzlich klavierspielende und komponierende (!) Nachfahrinnen, die bislang nichts von ihrer musikalischen Vorfahrin wussten. Also alles wahnsinnig aufregend und für die heutige Familie von Staudt spektakulär! Und so kam es dazu: „Caroline von Staudt – Augsburger Claviervirtuosin mit seltener Bravour“ weiterlesen

Elegie auf den Abriss des Gögginger Tors | Neufund

Elegie auf einen Abriss. Viele Augsburger:innen warteten im 19. Jahrhundert freudig darauf, ihre Stadt in die Zukunft geführt zu sehen. Nicht nur Augsburg wurde erleuchtet durch die Genialität von Ludwig August Riedinger (1809–1879), sondern auch buchstäblich mindestens halb Europa durch seine Technik der Gasbeleuchtung. Wiederkehrende Weltausstellungen in München, Paris und London erweiterten den Horizont technischer Art immens und auch die Vorstellungskraft, was noch alles kommen möge in der Zukunft. Man wollte Helle, Weite, Luft und Raum zum Atmen. Das sah man vielerorts durch Stadtmauern begrenzt, die dann um 1850 auch nicht mehr die großen Seuchen wie die Cholera abhielten, auch in Augsburg[1] – im Gegensatz zur Zeit um 1832 – tödlich zu wirken.

Todbringende Technik

Zur Todbringerin war auch die technische Errungenschaft der Eisenbahn geworden, die nicht nur die Menschen, sondern auch Keime schnell von Stadt zu Stadt brachten. Die Entscheidung, den Bahnhof vom Platz vor dem Roten Tor zum heutigen Ort zu verlegen, brachte auch eine neue Straße mit sich: Das war nicht die heutige bekannte Bahnhofstraße, sondern zunächst die heutige Prinzregentenstraße, die als erste dazu genutzt wurde, die Menschenmengen (die in den Augsburger Zeitungen dazu publizierten Zahlen und Baugeschichte habe ich festgehalten) in die Stadt zu bringen. Diese stauten sich allerdings stets an den Toren, da dort strenge Einreisekontrollen stattfanden. So durfte man zum Beispiel kein außerhalb gekauftes Brot oder Fleischwaren in die Stadt bringen (Letzteres auch wegen Seuchengefahr und vor allem, damit das Geld in der Stadt blieb). Immer lauter wurden die Stimmen, die alten Tore abzureißen und die Stadt für einen modernen Verkehr zu öffnen. Die heutige Bahnhofstraße wurde neu dann angelegt, und mit ihr war der Zustrom der Leute kaum mehr zu bewältigen – abgesehen von den vielen Unfällen mit in/an den Toren durch Kutschen zerdrückten Menschen. „Elegie auf den Abriss des Gögginger Tors | Neufund“ weiterlesen

Daniel Fenner von Fenneberg – Augsburgs Anti-Anti-Revolutionär

Daniel Fenner von Fenneberg (1818–1863) war einst eine literarische als auch politische große Nummer in Augsburg. Eine beinahe zu große für die Stadt in der Zeit der 1848er/1849er Jahre. Allerdings eine Nummer, die heute nicht mehr bekannt ist und wovon dieser Artikel erstmals erzählt – durch meine Recherchen an historischen Tageszeitungen wieder ans Licht gekommen. Und dieses Licht scheint beispielhaft für die Entwicklung der Demokratie in Augsburg.

Die Geschichte der Geschichte

Gibt es für die Märzrevolution einen Startschuss? Ein Tag, der das zuvor schon gärende Fass zum Explodieren brachte? Im Vormärz vielleicht? Vor dem März kommt der Februar. Einen dieser Tage kann man festmachen: Den 9. Februar 1848. Nach Handgreiflichkeiten zwischen seiner Geliebten Lola Montez (1821–1861) und Teilen der Münchner Bevölkerung, schloss König Ludwig I. (1786–1868) an diesem Tag kurzerhand die Münchner Universität und befahl allen Studenten, die Stadt binnen drei Tagen zu verlassen, was zu heftigem Protest und schließlich zur Ausweisung von Lola Montez aus Bayern bzw. Deutschland und der Abdankung von König Ludwig I. führte[1] – was auch in Augsburg großes und nahezu bleiernes Thema war: Eine quasi dahergelaufene ‘falsche Spanierin’ und ein Mann königlichen Geblütes. Zwei unterschiedliche Klassen. „Daniel Fenner von Fenneberg – Augsburgs Anti-Anti-Revolutionär“ weiterlesen

Ethel Smyth – Suffragette in München | #femaleheritage

Read this article in English here: Ethel Smyth – a  firecracker in Munich. Thanks to Gabriella Di Laccio to publish it on her website ‘donne – women in music’ (28, Juni 2021)

Ethel Smyth (1858–1944) war ein Kracher. Sie ließ so gut wie nichts anbrennen, war ihrer Zeit voraus, bewegte sich in höchsten und coolsten Kreisen, war musisch wie schriftstellerisch höchstbegabt, war unglaublich mutig, indem sie sich gegen gesellschaftliche Normen und Frauenhasser stellte und dadurch großartiges Neues schuf, darunter ihr The March of the Women, den sie 1910 für die Treffen und Demos der britischen Frauenwahlrechtskämpferinnen zusammen mit der Poetin Cicely Hamilton (1872–1952) verfasst hatte. Dieser Marsch ist in den letzten Jahren bekannter geworden und wird gerne – weil er so wunderbar eingängig ist – mittlerweile wieder besonders zu Veranstaltungen rund um den Internationalen Frauentag gesungen. Auch im Film Suffragette (2015) konnte man einen Teil davon bei einer nachgestellten Demo hören.


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Leipzig, ick hör dir trapsen

Ethel Smyth, aufgewachsen in einem Vorort von London in einer Familie der gehobenen Mittelschicht, hatte eine deutsche Nanny, die in Leipzig pianistisch ausgebildet worden war und Klein-Ethel Klavierunterricht gab. Es stellte sich schnell heraus, dass Ethel für Musik besonders begabt war. In ihr reifte die Idee, ebenfalls in Leipzig zu studieren. Aber nicht das Klavierspiel, um Interpretin zu werden, sondern um Komponistin zu werden! Das galt damals als ziemlich aussichtslos, da Frauen aufgrund ihres Geschlechts keine Chance hatten, als Kapellmeisterin einen Job zu bekommen. Was mit ein Grund ist, warum Großwerke von Frauen heute kaum bekannt sind – sie konnten ihre Werke eben nicht einfach mit einem Orchester, dem sie vorstanden, einüben und selbstverständlich aufführen.[1] Sie hätten dazu ein Orchester und einen Konzertsaal anmieten und hätten selbst für Werbung etc. sorgen müssen. Emilie Mayer (1812–1883), die als ‚weiblicher Beethoven‘ einst eine lebende Legende war, konnte das eine Zeit lang, weil sie über entsprechendes Privatgeld verfügt hatte – das dann irgendwann aufgebraucht war, sodass weitere Großwerke wohl deswegen zu Lebzeiten nie auf die Bühnen gebracht wurde. „Ethel Smyth – Suffragette in München | #femaleheritage“ weiterlesen

Clara Schumann hat null Bock | #femaleheritage

Clara Schumann hat null Bock. Sidekick: Unbekanntes zu Franz Liszt in Augsburg. Neues zur Konzertorganisation im 19. Jahrhundert in Augsburg und München

Maximilianstraße Augsburg. I. Owen nach Robert Batty, ca. 1835 © wikimedia.commons (gemeinfrei)
Maximilianstraße Augsburg. I. Owen nach Robert Batty, ca. 1835 © wikimedia.commons (gemeinfrei)

Blogtext gewidmet meiner Freundin Luise Kimm, Sängerin

This blogtext, written for the #femaleheritage blogparade of the Monacensia Munich, is now available in English! Thanks to Gabriella Di Laccio to publish it on her website Donne365!

Geht man ins Konzert, geht man in ein Konzerthaus, ins Theater oder in eine Kirche. Im 18. und 19. Jahrhundert ging man dazu in eine Gaststätte, in ein Hotel oder in eines der Zunfthäuser, die über einen großen Tanzsaal für Hochzeiten und andere Anlässe verfügten. Eigens als Konzertsaal angelegte Lokalitäten gab es erst relativ spät mit steigender (Massen)Nachfrage von Konzerten der Virtuosen-Superstars Niccolò Paganini (1782–1840) und Franz Liszt (1811–1886), der Schwestern Teresa (1827–1904) und Maria (1832–1848) Milanollo sowie ganzer Orchestertrupps wie dem von Johann Strauss sen. (1804–1849), die auf ihren Tourneen überall und von sehr vielen Menschen gehört werden wollten. Einer der ersten neugebauten richtigen Konzertsäle war das Münchner Odeon, erbaut 1826/28 von Leo von Klenze (1784–1864) für genau solche Zwecke.

Gaststätten im Zentrum
Apollo-Saal der Goldenen Traube. Postkarte um 1910 © Eigentum von Susanne Wosnitzka
Apollo-Saal der Goldenen Traube. Postkarte um 1910 © Eigentum von Susanne Wosnitzka

In Augsburg hingegen gab es so etwas bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht. Dafür hatte man den großen Apollo-Saal der heute nur noch wenig bekannten Goldenen Traube, die im 18. und 19. Jahrhundert das Zentrum bürgerlicher Musikausübung war und Thema meiner sich in Arbeit befindenden Dissertation ist. Für diese durchforstete ich in den letzten Jahren neun Augsburger Tageszeitungen der Jahre 1746 bis (jetzt) 1878 (vorläufiges Ende der Digitalisierung mit Warten auf Nachschub) auf Musik- und Kulturnachrichten – über 100 Jahre dichteste Lokal- und Weltgeschichte mit zahlreichen anderen hochinteressanten Funden anderer Sparten, mit denen sich zum Beispiel auch die Geschichte der Ballonfahrt neu schreiben ließe oder die europäische Frauenbewegungsgeschichte, zu der ich einen eigenen unbekannten französischen Strang entdeckt habe, der zum Inhalt eines anderen Histoblogs der #femaleheritage-Blogparade der Monacensia München wird. An dieser Stelle bedanke ich mich herzlich bei den Organisatorinnen für die persönliche Einladung, für diese Aktion mein Wissen in mehreren Blogtexten präsentieren zu können. Dieser hier ist der erste in der Reihe. „Clara Schumann hat null Bock | #femaleheritage“ weiterlesen

Clara Schumann (1819–1896) | Vortrag

Clara Schumann (18191896): Nicht “nur” die Frau von …, sondern Managerin ihres Mannes und ihres eigenen Konzertlebens, Mutter, Muse, Konzertmeisterin, Komponistin, Pianistin, Salonnière etc. pp. – von ihrem Vater Friedrich Wieck streng und unerbittlich zum “Wunderkind” gedrillt, blieb sie dieser Rolle später als “Überfrau” verhaftet und zog bis zu ihrem Tod eisern ihr Konzertprogramm durch – es war die einzige “Freiheit”, die sie hatte und selbst kontrollieren konnte. Von Johannes Brahms zur “Überfrau” proklamiert, hatte er selbst für komponierende Frauen nur Verachtung übrig. Clara Schumann war die einzige Musikerin, die es schaffte, als evangelisch Getaufte am streng katholischen Hof in Wien zur k.&k.-Kammermusikerin geehrt zu werden. Ohne ihr großes Zutun hätte sich ihr Mann im teils unbarmherzigen Musik- und Verlagsleben wohl nicht behaupten können.

Besonders geeignet fürs Clara-Schumann-Jubiläumsjahr 2019!

Hörbeispiel:
Clara Schumann, Klaviertrio op. 17(1846)


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Kosten:
VB (einzelne Vorträge ca. 90 Minuten; Anreise/Übernachtung exklusive)

Ideal für Kulturzentren, Firmenfeierlichkeiten, private Feste wie Geburtstage etc. – beschenken Sie einen Freund/eine Freundin oder Ihre Kundinnen und Kunden mit einem Vortrag aus meinem Repertoire | Hausvorführungen möglich – Beamer und weitere technische Gerätschaften vorhanden