
Im Juli des Jahres 1839 gastierte einst eine Schausteller- und Zirkustruppe in Ulm, unter deren Attraktionen sich auch ein Elefant befand. Solche durch die Lande rollenden Sensationen waren immer beliebt – und leider oft auch die einzige Möglichkeit für Menschen, die „anders“ beschaffen waren, eigenständig Geld zu verdienen: Kleinwüchsige oder die „dickste Frau der Welt“, KünstlerInnen ohne Arme oder Beine, die auf Musikinstrumenten spielten – alles war dort als ‚Freakshow‘ zu sehen, alles strömte in die Vorstellungen und ergötzte sich auch an der Exotik „wilder“ Tiere, die oft unter grauenhaften Umständen aus der Natur gerissen, über die Meere transportiert und in engen und kleinen Käfigen gehalten und begafft wurden.
Nabadender Elefant
Im jenem Sommer von 1839 war es wohl auch so heiß wie bei uns gerade jetzt.
Wegen der nächtlichen großen Hitze kam ein Elefantenwärter auf die Idee, den Elefanten, für den er verantwortlich war, zum Abkühlen und Baden in die Donau zu führen. Im kühlen und fließenden Wasser gefiel es diesem großen Geschöpf anscheinend so gut, dass es die Zurufe seines Führers ignorierte und den Fluss nabadete (hinunterbadete) und an den Ufern auch spazieren ging. Das richtig offizielle Nabada findet in Ulm seit 1927 statt. Jedenfalls hatte der Elefant erst nachts um drei vom Baden genug und kam wieder ans Ufer, um seinen Wärtern, die vermutlich mit den Nerven am Ende waren, ganz gemächlich und zufrieden wieder in die Stadt zu folgen.
Ob die UlmerInnen in jener Nacht davon etwas mitbekommen hatten und Maulaffen feilhielten, ist mir derzeit nicht bekannt. Vielleicht findet sich ja in Ulm jemand, der nach dieser Geschichte auch in den Ulmer Zeitungen suchen kann – solche Aufsehen erregenden Ereignisse und Anekdoten standen meist an auffälliger Stelle in den lokalen Blättern und waren oft wochenlang Tagesgespräch.
Törööö!
Jedenfalls bereichert diese Anekdote nicht nur die Ulmer Stadtgeschichte, sondern wäre auch eine gute Idee für ein neues Kinderbuch als Ergänzung zu den Kinderbüchern rund um weitere Ulmer Persönlichkeiten wie zum Beispiel den Ulmer Spatz oder die Münster-Fledermaus Lilli Langohr.
Diese bislang in Ulm heute völlig unbekannte Anekdote entdeckte ich in einer Augsburger Tageszeitung, von denen ich drei für meine Dissertation auf Kultur- und andere hochinteressante Nachrichten der Jahre 1750 bis 1850 [Stand Juli 2025: 1885] durchforstete. Einst wollten die Ulmer ihr Fischerstechen auch in einem der mit Wasser gefüllten Stadtgräben in Augsburg abhalten, um richtig Geld damit zu verdienen, aber in Augsburg war man wohl ziemlich „schwäbisch“ – das Ganze wurde wegen mangelndem Publikum wieder abgesagt, dem die Eintrittspreise zu teuer waren. Noch etliche andere solcher Geschichten aus Ulm, aus Augsburg und aus aller Welt kamen dadurch wieder ans Tageslicht, die noch auf ihre Veröffentlichung warten…
Quellenbad
Hier die Originalquelle zur Elefantengeschichte im originalen Wortlaut:
Augsburgische Ordinari Postzeitung, Nr. 197. Mittwoch, 17. Juli 1839, S. 4: „Ulm, den 13. Juli. In letzter Nacht 12 Uhr wurde ein seit einigen Tagen zur Schau hier ausgestellter Elephant von seinem Führer zum Baden in die Donau begleitet. Auf die große Hitze in den letzten Tagen behagte es diesem Thier dermaßen im Wasser, daß es, statt nach Verfluß einer angemessenen Zeit, wie es seine Führer wünschten, herauszugehen, eine Strecke weit die Donau hinab theils schwamm, theils ging. Die Führer, in der größten Besorgniß, das Thier mitten in der Nacht zu verlieren, wandten lange vergeblich alle Mühe an, ihn durch ihre gewohnten Worte und Signale herauszulocken; einer derselben schwamm ihm nach. Endlich schien der Elephant genug gebadet zu haben und gegen 3 Uhr diesen Morgen kam er von selbst aus dem Wasser und folgte in aller Ruhe seinen Eigenthümern zur Stadt zurück.“
+++Update 16. Juli 2025+++
Im Zuge eines Interviews mit mir durch SWP-Redakteurin Verena Schühly tat sich noch die originale Ulmer Quelle zu diesem Ereignis auf. Frau Schühly fragte dazu im Ulmer Stadtarchiv und wurde fündig. Die Ulmer Zeitungen sind leider noch immer nicht digitalisiert:
Die Schnellpost, Nr. 165, 16. Juli 1839, S. 1:
„Hiesiges. Wen in der schönen Sommernacht vom 12ten auf den 13ten d[es]. M[onats]. zufällig der Weg vom Steinhäule an der Donau herauf führte, konnte sich an die Ufer eines der kleineren Gewässer Asiens oder Afrikas versetzt fühlen, denn mitten aus den Fluthen ragte ihm die riesige Gestalt eines Elephanten entgegen, der frei und ungehindert dem Strome der Wellen sich überließ und voll Vergnügen über das erfrischende Bad das Wasser aus den emporgehaltenen Rüssel gen Himmel spritzte. – Zubeide, ein in der Schlacht von Mascara dem Abd=el Kader von den Franzosen abgenommener Elephant, den ein Franzose seit einigen Tagen dem Publikum als eine neue Merkwürdigkeit zeigt, welche von der größten Sanftheit ist, sollte um Mitternacht gebadet werden, als die Lust zum Schwimmen das kolossale Thier bewog, von der Kette, mit welcher es am Fuß gschlossen und vom Führer gehalten wurde, keine Notiz zu nehmen, und indem letzterer wohlweislich nachgab, eine gute Stunde weit den Fluß hinabzuschwimmen. Alle Mittel, welche die Führer anwendeten, die ungehorsame Zobeide ans Land zu bringen, selbst die freundlichste Darreichung des beliebten Zuckers und Branntweins scheiterten an dem immer steigenden Vergnügen, welches ihr diese labende Abkühlung zu gewähren schien. Erst nach gehörigen Erfrischung beliebte es endlich Zobeiden gegen 3 Uhr des Morgens den Wellen zu entsteigen und sich ganz sanftmüthig nach Hause führen zu lassen. Das Bad mußte einen recht artigen Appetit bei dem Thiere erzeugt haben, denn als ich es einige Stunden später besuchte, hatte es eben den 13ten Büschel Heu, den zwölften Laib Brod und einige Flaschen Wein zu sich genommen. Der außerordentliche Gehorsam, welchen dieser Elephant gegen seine Führer zeigt, setzt nicht minder in Erstaunen, als die vielen Kunststücke die er ausführt und unter denen das Walzen, ein beständiges und rasches Umdrehen im Kreise, das Stehen auf zwei Füßen von einer Seite, und das völlige Niederlegen und Aufstehen sich besonders auszeichnen. […] Die Temperatur der Donau war d[en]. 15. Morgens 8 Uhr 18°.“
+++Update 19. Juli 2025+++
Heute erschien in der Ulmer Südwest-Presse passend zum derzeitigen Schwörwochenende mit Fischerstechen und Nabada ein Artikel dazu, verfasst von Redakteurin Verena Schühly (SWP+)
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Bild: Collage © Susanne Wosnitzka unter Verwendung eines Scans eines Gemäldes von Johannes Hans (Ansicht auf Ulm, um 1810) © Stadtarchiv Ulm mit freundlich erteilter Genehmigung zur Verwendung sowie eines zeitgenössischen Elefantenabbilds (gemeinfrei)