Femmes – neue Doppel-CD von Raphaela Gromes

Vorab-Release von Raphaela Gromes’ neuer Doppel-CD Femmes: Vorbestellungen ab sofort möglich!

Vor wenigen Wochen schrieb mir Raphaela Gromes’ gute Bekannte Mary Ellen Kitchens, ob ich mir vorstellen könnte, einen Booklet-Text für die weltbekannte junge Cellistin für eine neue CD zu schreiben. Ich hatte noch eine große Veranstaltung abzuwickeln und es würde verdammt wenig Zeit dafür bleiben, aber wer sagt schon einer Größe wie Raphaela Gromes ab?

Vom Hören zum Schreiben: Femmes!

Es stellte sich heraus: Raphaela hatte in ihrem Lieblingspodcast – in einer Folge von Die Podcastin von Dr. Regula Stämpfli und Dr. Isabel Rohner – von mir gehört, die in höchsten Tönen von meiner Arbeit zu Komponistinnen erzählten. Raphaela wurde neugierig, stöberte auf meiner Webseite und war auf der Stelle überzeugt, dass ich für sie schreiben sollte. Und so geschah es. In einer bestimmten Anzahl an Wörtern oder Zeichen, mit einer pressanten Deadline. Es galt, fünf noch leere Seiten elektronisches Papier zu befüllen. Aber wo anfangen bei 23 Komponistinnen? Was hatten sie gemeinsam außer der Liebe zur Musik? Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts? Auf jeden Fall!

So erinnerte ich mich daran, was der Musikkritiker Marc Blitzstein schockiert schrieb, als er erst 1960 zum ersten Mal ein Werk der früh verstorbenen Komponistin Lili Boulanger (1893–1918) auf Schallplatte gehört hatte – Musik, die von Lilis Schwester Nadia auch zum ersten Mal überhaupt herausgegeben wurde: “Was haben wir all die Jahre an guter Musik verpasst?”

Aufgeholt!

Der perfekte Beginn, um einen roten Faden zu haben. Und dann flossen die Wörter nur so. Und zwar so gut, dass – noch ein bisschen zwischen Raphaela und ihrem Klavierpartner Julian Riem hin und her – SONY Classics überhaupt keine Änderungswünsche hatte. Auch Raphaela war erstaunt – so etwas war bei ihren bisherigen Produktionen noch nicht dagewesen!

Und heute nun eröffnete ihr Publikationspartner jpc den Vorverkauf und gab das Cover der Doppel-CD Femmes preis:

CD-Cover "Femmes" von Raphaela Gromes © Sony Classics
CD-Cover “Femmes” von Raphaela Gromes © Sony Classics

Raphaela Gromes auf Instagram (3. November 2022):
Mit mir gemeinsam musiziert mein Lieblingsorchester Festival Strings Lucerne und deren künstlerischen Leiter Daniel Dodds und natürlich mein Duopartner Julian Riem, die Traum-Zusammenarbeit wird noch ergänzt durch meine Lieblings-Tonmeisterin Marie-Josefin Melchior und die unglaubliche Susanne Wosnitzka, die einen mitreißenden Booklettext verfasst hat! Danke an euch alle, es war und ist ein unglaublich beglückendes Projekt für mich und ich freue mich auf alles, was folgt!”

Release – save the date!

Es folgt der offizielle CD-Release am 3. Februar 2023 und das Release-Konzert mit dem gesamten Orchester am 5. Februar 2023 im Münchener Prinzregententheater, für das nur noch wenige Plätze frei sind. Ich freue mich sehr, ein Teil dieses herausragenden CD-Projekts zu sein und auf weitere Veranstaltungen im neuen Jahr!

Das Haus Malfatti in Innsbruck – Haus des Grauens?

Für den Oktober 2022 habe ich für Twitter eine Reihe mit Gruselgeschichten aus alter Zeit aus historischen Augsburger Tageszeitungen kreiert, die ich für die Jahre 1746 bis 1878 besonders auf kulturelle Nachrichten untersucht habe: Auffindbar unter dem Hashtag #Spooktober wie bereits im letzten Jahr mit den gruseligsten und erschütterndsten Berichten über Mord, Suizid, Femizid, Scheintoden und Geistererscheinungen bis hin zu Missbrauch in verschiedenen Einrichtungen.

Eine davon, die mich sprachlos machte, fand ich zur Geschichte der Stadt Innsbruck. Sie macht deshalb sprachlos, weil sie offenbar bis heute entweder nicht mehr bekannt ist oder nach wie vor verschwiegen wird. Erstmals publiziert am 26. Oktober 2022 auf Twitter – eingebettet hier – breite ich sie unten nochmals mit Einzelnachweisen und weiteren Überlegungen auf.

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Historischer Femizid in Augsburger Zeitungen

Auch zum diesjährigen #Spooktober veröffentlichte ich auf Twitter täglich einen Thread mit grauenvollen Nachrichten aus alter Zeit – nun bereits im dritten Jahr – und dieses Jahr mit Schwerpunkt auf historischem Femizid:

Dieses Jahr aus den Jahren 1876 bis 1878, gefunden in historischen Augsburger Tageszeitungen dieser Zeit, die ich im Rahmen meiner musikgeschichtlichen Forschungen bislang für die Jahre 1746 bis nun 1878 auf interessante Nachrichten aller Art abgetippt habe:

Augsburg um 1835. Stahlstich von F. Höfer © Wikimedia.Commons (gemeinfrei)
Augsburg um 1835. Stahlstich von F. Höfer © Wikimedia.Commons (gemeinfrei)

„Historischer Femizid in Augsburger Zeitungen“ weiterlesen

Die Präsenz der Unterrepräsentierten | Gastblog Ludwigsburger Schlossfestspiele

Seit wenigen Tagen ist mein Gastblog-Beitrag Die Präsenz der Unterrepräsentierten. Über Komponistinnen für die Ludwigsburger Schlossfestspiele online, den Sie hier über diesen Link dort abrufen können. Für die Zukunft sichere ich ihn aber auch hier zum Nachlesen:

Screenshot @ Ludwigsburger Schlossfestspiele
Screenshot @ Ludwigsburger Schlossfestspiele

»In vielen Branchen sind Frauen auch heute noch unterrepräsentiert. Für die Musik gilt diese Tatsache eigentlich nicht. Denn zu keiner Zeit in der Geschichte fehlte es an Musikschöpfungen oder kulturellem Handeln des weiblichen Geschlechts. Trotzdem gibt es eine ganze Welt an unterschlagener Musikgeschichte, die sich in der dürftigen Bekanntheit von Virtuosinnen widerspiegelt. Dabei kommt man auf der Suche nach großartigen Komponistinnen z. B. an Emilie Mayer nicht vorbei. Doch wie kommt es, dass eine zu Lebzeiten so arrivierte Musikerin schon kurz nach ihrem Tod in Vergessenheit geraten ist, viele ihrer männlichen Kollegen aber nicht? Und wie ist es möglich, dass ihre Werke innerhalb kürzester Zeit aus dem Konzertbetrieb verschwanden und erst im 21. Jahrhundert wiederauftauchen? Von diesen Fragen bewegt, positioniert das ensemble reflektor Mayer genau da, wo sie hingehört: in eine Reihe mit ihren großartigen Kollegen.« 

So der Teaser zum eclipse-Programm des ensemble reflektor, das am 1. Juli auch im Rahmen der Ludwigsburger Schlossfestspiele gegeben wurde. Emilie Mayer (1812–1833) passt in diesem Programm hervorragend zu Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) und Henry Purcell (~1659–1695). Und der Großartigkeit ihrer Werke nach in viele, viele andere Programme. Es passt auch deshalb zum großen Felix Mendelssohn Bartholdy, weil dieser eine durch die feministische Musikwissenschaft mittlerweile sehr gut erforschte Schwester – Fanny (1805–1847) – hatte, die ihn durch ihr Genie, ihr technisches Niveau und ihre Brillanz auf seiner Reise durch England und Schottland zu Tränen rührte: In dem Erkennen, dass es wohl doch die reinste Verschwendung und ein Fehler war, ihre Werke der Öffentlichkeit vorzuenthalten. „Die Präsenz der Unterrepräsentierten | Gastblog Ludwigsburger Schlossfestspiele“ weiterlesen

Erste Feuerbestattung in Breslau, nicht in Dresden?

Offiziell fand die erste Feuerbestattung in Dresden statt. Aber eigentlich in Breslau. Wie das? Wie eine kleine Zeitungsnachricht zu etwas Großem wird. Gestern veröffentlichte ich auf Twitter wieder ein Geschichtsquiz, das von den 89 Teilnehmenden erstaunlicherweise richtig erraten wurde, die tatsächlich auf Breslau tippten:

Hier blättere ich den Thread für besseres Auffinden und Nachlesen noch einmal auf:

Offiziell geschah die erste moderne Verbrennung in einem eigens dafür gefertigten gasbetriebenen Ofen 1874 in Dresden. Dies hatte sich Lady Katherine Dilke für ihre Leiche ausdrücklich auch testamentarisch so gewünscht. Sie starb am 20. September 1874 im Alter von nur 26 Jahren, zwei Tage nach einer Entbindung. Die Einäscherung ihrer Leiche erfolgte am 9. Oktober 1874.[1] So steht es auch im Wikipedia-Artikel zu Feuerbestattung (abgerufen am 21. April 2022).

Reclam in Breslau

Allerdings war dies nicht die erste Verbrennung dieser Art, denn die wirklich allererste fand kurze Zeit vorher offenbar bereits in Breslau statt, wie eine Zeitungsmeldung der Augsburger Neuesten Nachrichten vom 27. September 1874 belegt. Und zwar unter Leitung von Prof. Dr. Karl Heinrich Reclam (1821–1887), der Pionier für diese Bestattungsart war, besonders hinsichtlich wegen besserer Bestattungs- u. Friedhofshygiene in Seuchenzeiten, da 1874 die Cholera besonders stark wieder in München wütete und ca. 1300 Menschen innerhalb weniger Zeit dahinraffte: „Erste Feuerbestattung in Breslau, nicht in Dresden?“ weiterlesen

Tantiemen für Caroline van Beethoven

Ludwig van Beethoven und das liebe Geld. Zeitlebens musste er dafür kämpfen, für seine Kompositionen anständig bezahlt zu werden. Tantiemen, die pro Aufführung/Druck einen Anteil gewährten, gab es damals noch nicht. Und doch bekam Beethoven Tantiemen. DIE Beethoven! Eine Frau? Ja!

Nämlich Caroline van Beethoven (1808–1891), die Frau seines Neffen Karl (1806–1858). Zwar ist bekannt, dass man für die sehr verarmte Frau in Wien Spenden durch Benefizkonzerte sammelte, wohl aber noch nicht, dass sie von München aus sogar Tantiemen erhielt für jede Aufführung von Ludwig van Beethovens Fidelio im Münchner Hoftheater: Fünf Prozent der Einnahmen auf die Dauer von zwei Jahren. „Tantiemen für Caroline van Beethoven“ weiterlesen

Klassik verstehen live | Jetzt zum Nachschauen

Der Abend (nicht nur) über Filmmusik mit Gabriel Yoran und mir

Wenn ihr letzten Freitag nicht live dabei wart, könnt ihr unseren Abend im Rahmen des 100jährigen Jubiläums der Musikbibliothek der Stadtbibliothek Köln am 18 . März hier nachschauen. Es geht um Wege zur Klassik und insbesondere um Filmmusik. Viele der fast 80 Personen im Videocall wünschten sich eine Fortsetzung. Vielleicht geht ja nochmal etwas zusammen.

“Es war noch nie so aufregend, einfach und billig einen Einstieg in die Welt der klassischen Musik zu finden.” Ob das stimmt, finden wir heraus! Gabriel Yoran liest Passagen aus seinem Buch und hört mit uns gemeinsam in Beispiele rein, die er dann zusammen mit Musikwissenschaftlerin Susanne Wosnitzka bespricht. Hier kann man die Ankündigung der Stadt Köln zu diesem Event nochmal nachlesen.

Gute Unterhaltung derweil!

Zum 8. März | Das Vorbild der Ulmerin Barbara Kluntz (1661–1730)

Am 8. März 2022, dem Internationalen Frauentag bzw. Feministischen Kampftag, veröffentlichte ich auf Twitter als @Donauschwalbe einen Thread zur Ulmer Komponistin Barbara Kluntz (1661–1730), aber nicht nur zu ihr, sondern deshalb, weil sie ein Vorbild hatte. Das haben zwar viele, aber von historischen Persönlichkeiten sind nicht so viele auch manifestierte und nachgewiesene Vorbilder bekannt.

Miniatur in einer Pariser Handschrift der Cité des Dames © wikimedia.commons (gemeinfrei)
Miniatur in einer Pariser Handschrift der Cité des Dames © wikimedia.commons (gemeinfrei)

Barbara Kluntz‘ Vorbild war die französische Schriftstellerin, Dichterin, wohl Musikerin und wahrscheinlich sogar auch Komponistin: Georgette de Montenay (1540–1606/07). Diese ist relativ nah an einer anderen, noch wesentlich älteren/früheren Schriftstellerin, Christine de Pizan (1364–nach 1429), die ein wunderbares Buch von der Stadt der Frauen verfasste. Darin sieht man in noch wunderbareren Bildern, wie Frauen an ihrer eigenen Stadt bauen, richtig mit Steinen und Kellen in der Hand. Für Christine de Pizan war jeder Stein eine Frauenpersönlichkeit aus der Geschichte selbst: Auf Frauen konnte sie verlässlich bauen, eine Stadt aus und für Frauen war stabil und für die Zukunft. Eine für die damalige Zeit unglaublich moderne Ansicht. Barbara Kluntz befindet sich also selbst in dieser Kette.

Hier erzähle ich den Twitter-Thread noch einmal nach: „Zum 8. März | Das Vorbild der Ulmerin Barbara Kluntz (1661–1730)“ weiterlesen

Frauen von damals trifft … Susanne Wosnitzka | Podcast-Interview

Die wunderbare Kollegin Bianca Walther, die nicht nur das Reisetagebuch von Anna Pappritz (1861–1939) wiederentdeckt und veröffentlicht hat, hat einen eigenen Podcast, die Frauen von damals rund um historische FrauenLesbenQueerGeschichte. Jeden ersten Freitag im Monat gibts ein Interview mit einer Person, die sich für die Sichtbarmachung solcher Geschichte einsetzt. Für Folge 19 wurde ich auserkoren.

Seit ca. zwei Jahren folgen wir uns gegenseitig mit großer Wonne auf Twitter als @frauenvondamals und als @Donauschwalbe und stützen uns auch gegenseitig in einem ganz wunderbaren Netzwerk weiterer Forscherinnen, Autorinnen und Kulturschaffenden.

In diesem einstündigen Interview geht es nicht nur um die von mir wiederentdeckte große Frauenbewegung der Löwinnen von Paris, um Komponistinnen und besonders Ethel Smyth (1858–1944), die mit dem The March of the Women 1910/11 eine – DIE – Hymne für die britische Suffragettenbewegung geschrieben hat, sondern vor allem darum, wie damals mein bisheriger Weg ging, sowas alles überhaupt finden und damit arbeiten und forschen zu können.

Ich wünsche viel Vergnügen!

Folge 19: Frauen von damals trifft … Susanne Wosnitzka

O-Töne aus der Hörer:innenschaft
“Ein herrliches Gespräch zwischen Bianca Walther und Susanne Wosnitzka, Musikwissenschaftlerin, schwäbisches Original und wohl eine der besten Kennerinnen der Augsburger Geschichte im 19. Jahrhundert. Danke!” – Prof. Dr. Hedwig Richter, Historikerin (Twitter)

“Hörempfehlung für alle, die sich für Musik, Geschichte, Frauenmusikgeschichte, die Geschichte frauenliebender Frauen, musikliebender Frauen oder musik- und frauenliebender Frauen interessieren. Oder die einfach gerne gute Podcasts hören.” – Prof. Dr. Ulrike Gerdiken, Erwachsenenbildnerin und Sozialpädagogin (Twitter)

Mit viel Spaß und großem Interesse das Gespräch zwischen @simultorian und @Donauschwalbe (wer kennt nicht ihre Threads zur Augsburger Geschichte des 19. Jahrhunderts) gehört. Habe fast atemlos Deinem leidenschaftlichen Erzählen gelauscht.” – FrauenLesen (Twitter)

Vilma von Webenau – verwehte Spuren?

Konzertplakat in Wien © Susanne Wosnitzka
Konzertplakat in Wien © Susanne Wosnitzka

Ein Forschungseinblick von Susanne Wosnitzka

Text erstmals veröffentlicht am 30. Juni 2019 unter https://www.jourfixe-muenchen-ev.com/vilma-von-webenau-verwehte-spuren-finden/ als Gastbeitrag für jourfixe München (ursprüngliche Webseite allerdings nicht mehr vorhanden, daher hier noch einmal wiedergegeben)

Die Lebensspuren einer äußerst bescheidenen Frau wiederzufinden ist nicht einfach.[1] Ab 1898 studierte Wilhelmine Eveline Maria von Webenau (1875–1953) – genannt Vilma – beim damals 24-jährigen Arnold Schönberg (1874–1951) als dessen erste bekannte Privatschülerin. Auf seine Einladung folgte sie ihm um 1900 nach Berlin, gab Konzerte in London, lebte zeitweise in München und dann in Wien, wo sie später in drückender Armut starb. Von Schönberg als Komponistin ihrer Zeit geschätzt, ist ihr Name heute in keiner einzigen Schönberg-Biografie als Schülerin/Studentin zu finden. Puzzlestück für Puzzlestück zusammengetragen ergibt sich nun ein Bild mit Potenzial zu Großem: Mehr als 100 Werke Vilma von Webenaus harren in Wien noch ihrer Entdeckung!

Vilma Webenau im Jahr 1927, Fotografie, für den 50. Geburtstag von Arnold Schönberg, © gemeinfrei, Schönberg Center Wien
Vilma Webenau im Jahr 1927, Fotografie, für den 50. Geburtstag von Arnold Schönberg, © gemeinfrei, Schönberg Center Wien

Mit vier daraus ausgesuchten Werken Webenaus begann musica femina münchen e. V. (mfm), diesen unglaublichen und nahezu völlig vergessenen Schatz zu heben – sie erklangen am 3. Dezember 2014 im Rahmenprogramm der Ausstellung Ab nach München! Künstlerinnen um 1900 im Münchner Stadtmuseum als wohl deutsche Erst- oder vielleicht auch als Uraufführungen. Dieses Event, meine Forschungen und Veröffentlichungen stellten den Auftakt dar zu einer daraufhin einsetzenden Nachfrage nach Wissen zu Vilma von Webenaus Leben und Werk. Dieser Blogtext stellt keinen wissenschaftlichen Artikel dar, sondern soll einen Einblick in einen Teil meiner Arbeit geben. „Vilma von Webenau – verwehte Spuren?“ weiterlesen

Beethovens & Mozarts verschollenes Oboenkonzert – Spur in Augsburg

Oboenkonzert von Beethoven UND Mozart – heiße Spur in Augsburg © Collage mit Bildern der wikimedia.commons (gemeinfrei)
Oboenkonzert von Beethoven UND Mozart – heiße Spur in Augsburg © Collage mit Bildern der wikimedia.commons (gemeinfrei)

Seit 2002 gibt es nichts Neues mehr zu Beethovens verschollenem Oboenkonzert, von dem nur noch Stückelwerk existiert. Das originale Manuskript zu Mozarts Oboenkonzert fehlt ebenfalls – komplett. Auch Abschriften oder einzelne Teile davon sind nicht bekannt. Ein Zufall, dass beide fehlen? Nein. Ob man mit meinen neuen Spuren diesem alten Rätsel der Musikwissenschaft nun auf die Spur kommen kann?

2017 wurde in Salzburg ein Hinweis auf das Mozartsche Werk entdeckt – dort wurde es zumindest gespielt, aus dem Originalmanuskript. Ab da verlief sich die Spur wieder. Bis jetzt. Im Spätsommer 2019 fand ich erste weitere Hinweise durch meine langjährige Beschäftigung mit historischen Augsburger Tageszeitungen, von denen ich bislang neun zwischen 1746 und 1881 auf Musik- und andere interessante Meldungen untersucht habe.

Geheimnis in der unteren Altstadt?

Dadurch weiß ich, wo sich beide Original-Manuskripte zeitgleich befunden haben. Nicht bei Diabelli oder Artaria in Wien, sondern – genau – in Augsburg. Und sie standen dort in Zusammenhang mit dem Wirken des bislang noch völlig unbekannten Oboisten und Flötisten des historischen Augsburger Stadttheaters – Konrad Reichardt –, der auf diese Werke ein Auge hatte oder – wenn er schlau genug war (und das war er) – sich Abschriften davon angefertigt haben könnte! Und wer beide Werke nach Augsburg brachte, wo sie gespielt wurden und wie sie beim Publikum ankamen. Konrad Reichardt war nämlich der Schüler einer ganz, ganz großen musikalischen Wiener Ikone der Zeit: Ernest Krähmer. „Beethovens & Mozarts verschollenes Oboenkonzert – Spur in Augsburg“ weiterlesen

Assingmilieren in Florenz | Neufund zu Ludmilla Assing

Jemand in Florenz grade im Urlaub? Kunst- und kulturinteressiert? Auch an Frauengeschichte? Zu Ludmilla Assing? Ja? Dann macht doch im berühmten Boboli-Garten bitte der Länge nach ein philosophisches Lieg-In im Rasen. Warum? Als Gedenken!

Sich einfach so in einen Garten zu legen, um über das Leben zu philosophieren, die Schönheit drumherum zu genießen und an Ort und Stelle wahrscheinlich auch niederzuschreiben brachte wohl Ludmilla Assing (1821–1880), Wächterin und teils Herausgeberin der faszinierenden Varnhagen’schen Sammlung, in Italien in Mode. Was offenbar so spektakulär war, dass 1862 darüber im Augsburger Tagblatt berichtet wurde. „Assingmilieren in Florenz | Neufund zu Ludmilla Assing“ weiterlesen

Feministische Podcasts | Eine Linksammlung

Seit Langem höre ich als Histobloggerin und Feministin Podcasts aller Art: Von Crime und Mysteriösem bis hin zu Geschichte, besonders aber zu Feminismus und Herstory. Ein wahrer Quell an Inspiration findet sich auf Twitter. Täglich findet sich dort Neues in der Timeline, hereingespült durch einfaches Folgen, Teilen und Likes von anderen Menschen, und manchmal entwickeln sich daraus ganz wunderbare Gespräche, anregende Diskussionen, neue Bubbles und persönliche Begegnungen.

Allerdings passiert es auch hin und wieder, dass Leute (einschließlich ich selbst) völlig verblüfft sind, warum ihnen bestimmte Podcasts im Netz noch nicht aufgefallen sind und geflasht darauf aufmerksam machen.

Vereinzelt existieren auf Webseiten eher kurze Listen zu einzelnen Podcasts, aber für Umfänglicheres muss man ausführlicher im Netz suchen und sich die verschiedenen Podcasts zusammenklauben. Um sich das zu sparen, habe ich die Podcasts, die mir online regelmäßig über den Weg laufen, hier aufgelistet und durch Netzfunde ergänzt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber wem noch was einfällt, dann bitte gerne unten als Kommentar eintragen.

Ich habe darauf geachtet, auf die originalen Webseiten der Podcast-Angebote zu verlinken. Wo keine vorhanden sind, greife ich auf Audio-Streaming-Dienste zurück.

Viel Freude beim Entdecken! „Feministische Podcasts | Eine Linksammlung“ weiterlesen

Nannette Streicher: Star des Moselmusikfestivals 2021 | Podcastvideo

Nannette Streicher. Tuschezeichnung von Ludwig Krones, 1836. © Wikimedia.Commons (gemeinfrei)
Nannette Streicher. Tuschezeichnung von Ludwig Krones, 1836. © wikimedia.commons (gemeinfrei)

Nannette Streicher (1769–1833) – die bedeutendste Klavierbauerin aller Zeiten. Und Sängerin war sie auch noch und Pianistin und Komponistin und Übersetzerin und – da kann man schon mal ins Schwärmen kommen – was wäre Beethoven ohne sie gewesen und wie konnte die Stadt Augsburg ihren 250. Geburtstag nur so schändlich vergessen! Hach! Jetzt aber ist sie wieder voll da!

Im Frühling 2021 wurde ich vom Moselmusikfestival Trier angeschrieben, das ein Programm zu Nannette Streicher plane, weil in der Nähe – in Traben-Trarbach – ein originaler und zudem wunderschöner Konzertflügel von Nannette Streicher steht, der es wert ist, gehört zu werden. Und durch etwas Recherche sind Intendant Tobias Scharfenberger und Ideengeberin/Koordinatorin/Sängerin Charlotte Jarosch von Schweder dann schnell auf mich gekommen; wir fanden schnell heraus, dass wir in dieser Hinsicht ganz gut zusammenpassen, da ich bereits zu Nannette Streicher geforscht und publiziert habe, und so reiste ich Ende Juni zu Dreharbeiten nach Trier. „Nannette Streicher: Star des Moselmusikfestivals 2021 | Podcastvideo“ weiterlesen

nexTus-Festival online – auch ein Komponistinnen-Fest

Logo nexTus-Festival © nexTus-Festival
Logo nexTus-Festival © nexTus-Festival

Seit dem 17. April läuft bereits das nexTus-Festival – und das noch online bis 9. Mai 2021.

Was ist das nexTus-Festival? Das ist “ein neues Kollektiv von inspirierten Musiker:innen und Unternehmern, die sich durch die BYOM Academy Community zusammengeschlossen haben, um eine neue Art und Weise zu schaffen, musikalisches Handwerk der Welt zu präsentieren. Wir haben uns verpflichtet, unser Talent und unsere Kreativität mit unserem Publikum zu teilen, uns über alle aktuellen Hindernisse zu erheben und sie in unsere Stärken zu verwandeln.

Als Ergebnis sind wir stolz darauf, unser erstes Musikfestival – das nexTus-Festival – online zu präsentieren. Der Titel setzt sich gleichzeitig aus dem Wort Nexus, das Verbindung oder Zentrum bedeutet, und der Phrase Next Us zusammen, denn wir blicken in die Zukunft und auf die bestmögliche Version von uns selbst und der Welt der klassischen Musik.

Unser neues Festival ist stark von unserer ‘Lovemark’ geprägt – drei Worte, die die BYOM-Community als Ganzes zusammenfassen:
Verbindung – Inspiration – Innovation.”

Leider habe ich es zeitlich nicht geschafft, in alle Programmpunkte zu schauen; mit im Orga-Team des nexTus UND als Künstlerin wirkt aber Violinistin Susanne Hehenberger, die in Salzburg auch im Vorstand der Maria-Anna-Mozart-Gesellschaft arbeitet. Sie kenne ich aus dem Team persönlich, auch über meine eigene Mitvorstandsschaft bei musica femina münchen. Schwestern-Netzwerke, die tragen! Susanne Hehenberger spielt auch in Wilhelm – A Silent Opera (basierend auf der Novelle Spiel im Morgengrauen von Arthur Schnitzler) am 1. Mai:

Eine andere gute alte Bekannte, die im nexTus-Festival wirkt, ist meine Kollegin Heike Matthiesen, professionelle Gitarristin, die am 8. Mai – dem Ladies’ Day – ihr Programm Ladies who Guitar vorstellt. Ghenadie Rotari spielt Werke von Komponistinnen auf dem Akkordeon, Natalia Hurst begibt sich in eine multimediale Performance einer Frau in Quarantäne, und Antonija Pacek schreibt und spielt gegen eine Verschmutzung der Ozeane mit ihrem Programm Save the Sea.

Besonders beeindruckt bin ich vom Schaffen von Rosalyn Aninyei (Violinistin) als Gastrednerin, Gründerin/CEO der Vesta Orchestra and Opera Foundation, die den vielen talentierten Künstler:innen in Nigeria eine Bühne auf Weltniveau bieten möchte. Nachdem sie über ein Jahrzehnt in Wien gelebt hatte, wurde sie von der Musikkultur der Stadt so inspiriert, dass sie in Lagos/Nigeria das African Classical Project ins Leben rief, um Musik von hauptsächlich afrikanischen klassischen Komponist:innen in Auftrag zu geben, zu kuratieren und aufzuführen – mit dem ultimativen Ziel eines Opernhauses in Lagos, in dem diese Werke neben bemerkenswerten europäischen Opern präsentiert werden. Rosalyn Aninyei hat ein Team von kompetenten und erfahrenen Akteur:innen zusammengestellt, um das Lagos Opera House zu gründen.

Schaut also un-be-dingt in das noch weitere Programm dieses tollen Festivals!

1 Online Classical Music Festival
4 Weekends
24 Social and Special Events
34 Concerts
60 Artists
28 Nationalities
24 Cities

250 Trees (Green Mission)

Geschichte mit Zukunft – der Grüffelo-Deal im Zug

Wenn man in Zeiten von Corona ans Reisen denkt, bleibt es allermeist bei sehnsuchtsvollen Rückblicken – oder eifrig-trotzigen künftigen Reiseplänen. 2015 erlebte ich auf einer Dienstreise eine der zauberhaftesten Bahngeschichten überhaupt: Den Grüffelo-Deal mit Zukunft!

Chaos pur in Frankfurt am Main: Züge verspätet, ausgefallen oder verkürzt. Dazu war es brüllend heiß, was den Pisseammoniakgeruch im Durchgangstunnel zum Gleis noch verstärkte. Die Züge waren teils so geschrumpft, dass Passagiere, die Plätze reserviert hatten, in den Zug bzw. in die Röhre schauten, weil einfach ihre Waggons abgekoppelt worden waren. Freie Plätze gab es somit direkt nur noch an der Tür. Wenigstens kann man dort die Beine vernünftig ausstrecken, hat Frischluft, nur einen Schritt zum Klo und man kann Menschen von unten betrachten.

Der Grüffelo muss mit!
Der Grüffelo © Saffron Blaze (http://www.mackenzie.co)
Der Grüffelo © Saffron Blaze (http://www.mackenzie.co)

Neben mir kam ein kleines Menschlein zum Sitzen. Die kleine Luca (5 oder 6) mit ihrer Mama. Luca machte es sich auf der Verpackung eines aufblasbaren Schwimmbads bequem, zog aus ihrem kleinen rosafarbenen Walt-Disney-Märchenschloss-Rucksack einen DVD-Player und zog sich seelenruhig den Grüffelo rein. Nebenbei erzählte Luca Folgendes:

Luca war sehr tapfer gewesen, denn man hatte ihr vor ein paar Tagen einen Zahn ziehen müssen. Sie zeigte mir ganz stolz die vernähte Lücke, während ihre Mama die Augen nach oben verdrehte. Ich fands obercool, wie cool Luca war. Nach einer Weile wollte sie Multitasking und zog eine rosafarbene Blechbüchse heraus, in der sich trendy Gummibänder befanden, die man zu Ketten häkeln konnte. Die Gummibänder waren in Weiß-Pink und Orange-Pink.

Amusement par excellence

Ich guckte ein bisschen mit ihr den Grüffelo und amüsierte mich. Ein junger Mann (Typ Jungmanager) kam gegenüber auf seinem Koffer zu sitzen und gaffte. Luca hatte aber keine Zeit zum Zurückgaffen, denn sie strickte mir gerade aus den weiß-pink-farbenen Gummibändern einen Ring. Immer wieder testete sie, ob die Größe schon passte. Endlich war er fertig und sogar relativ bequem. Ich versprach ihr, dass wenn ich den Ring ablege, ihn stattdessen an meinem Schlüsselbund tragen würde. Luca strahlte.

Der Jungmanager beobachtete die Szenerie. Luca guckte ihn an und sagte: “Ich mach dir ein Armband!” Er war interessiert und meinte: “Prima, lass dir Zeit, ich bin jetzt zwei Stunden lang hier im Zug”. Luca fasste das als Arbeitsauftrag auf und legte los. Sie brachte das Armband fertig und lieferte es beim Jungmanager ab, der sie mit 5 € entlohnte. Während Luca laut überlegte, was sie mit dem Geld machen wolle (Eis kaufen), gab ihr der Jungmanager einen heißen Tipp: “Kauf dir kein Eis, sondern kauf dir von dem Geld neues Material und mach weiter mit deinem Geschäft.” Luca strahlte.

Panik statt Genussfahrt

An der nächsten Station (Aschaffenburg) stieg eine junge Frau ein, die nach Schweinfurt musste. Affen und Schweine. Perfekt. Allerdings fuhr der Zug nicht nach Schweinfurt, sondern nach Nürnberg, weil auf der Abfahrtstafel was Falsches angegeben war. Was sie in Tränen auflösen ließ, weil ihr Liebster verzweifelt am Bahnhof in Schweinfurt stünde. Beflügelt von seinem neuen Armband (in Weiß-Pink – passend zum anthrazitfarbenen Anzug) gab der Jungmanager auch dieser einen heißen Tipp: “Pass auf, wenn dir die Schaffner für die Rückfahrt was berechnen wollen, dann machst du das Chaos des Tages für die Unpässlichkeit verantwortlich und zahlst gar nix. Und wenn die was dagegen haben, dann red ich mal mit denen.” Karmaaaaaa!

Luca zog dann mit ihrer Mutter in Nürnberg von dannen. Der DVD-Player hatte pünktlich zur Zugeinfahrt den Geist aufgegeben. Ich selbst stieg in München aus, der Jungmanager ebenfalls.

Später sah ich ihn zufällig nochmal in der Stadt wieder. Er trug noch immer das weiß-pink-farbene Superpower-Gummiband.

Ring mit Grüffelo-Deal © Susanne Wosnitzka
Ring mit Grüffelo-Deal © Susanne Wosnitzka

So weit diese Geschichte. Und wenn ihr denkt, ich hätte meinen Superpowerring längst vergessen – nein! Er ist zwar nicht mehr am Finger und auch nicht am Schlüsselbund, sondern als Erinnerung an diese wunderschöne Begegnung in meinem Schmuckkästchen. Und vielleicht kann sich Luca (heute 10 oder 11) auch noch in Freude an diese Geschichte erinnern.

Ein paar weitere/heitere Zuggeschichten kann man hier nachlesen, auch wenn einem meist eher weniger zum Lachen ist bei Verhindernissen aller Art auf der Strecke.
Lustige Bahnansagen gibts bei Twitter.

Beethoven und ich – Die Erinnerung der Langsamkeit

Jetzt. Ich tippe konzentriert interessante historische Zeitungsmeldungen ab. Um meine geräuschfreie Ruhe zu haben, habe ich zuvor meine Hörgeräte herausgenommen und meine Kopfhörer aufgesetzt. Meistens höre ich neben dieser Recherche- und Forschungsarbeit eine Geschichtsdokumentation, ein Hörspiel oder – seltener – Musik.

Musik ist für mich meist dann furchtbar ablenkend, wenn ich über Musik nachdenke. Das ist dann in etwa so störend, wie Besteckschieben über Porzellan, obwohl Musikhören und Musikdenken an und für sich schön sind. Eigentlich wollte ich heute nur Samuel Barbers Agnus dei nebenbei haben, das auf die vielen zauberhaften, aber teils auch schrecklichen Meldungen historischer Zeiten im stetigen Wechsel so gut passt. Und das je nach Stimmung im Dauer-Repeat. Heute sollte es also Dauer-Repeat sein.

Aber heute ist daran etwas anders. Statt Dauer-Repeat läuft aus Versehen ein Mix mit aufeinanderfolgenden YouTube-Musikvideos. Deshalb folgt auf dieses Agnus dei der zweite Satz aus Beethovens Klavierkonzert Nr. 5, und zwar mit dem London Festival Orchestra und Sylvia Čápová-Vizváry am Flügel.

Weil ich gerade höchst konzentriert am Abtippen bin, lasse ich diese Musik trotzdem weiterlaufen. Und denke nach dem Orchesterintro nach der ersten Abwärtsbewegung der darauf einsetzenden Klaviertöne genervt: „Uff, schlaf halt ein beim Spielen“. Eine der langsamsten Interpretationen dieses Werks, die ich je gehört habe. „Beethoven und ich – Die Erinnerung der Langsamkeit“ weiterlesen

Die größten Schweizerinnen 1858

Wer waren die größten Schweizerinnen der 1850er Jahre? Da gab es zum Beispiel Wilhelmine von Hillern (1836–1916) – Tochter der höchst erfolgreichen Dramatikerin und (zugereisten) Züricher Theaterdirektorin Charlotte Birch-Pfeiffer (1800–1868) –, die zuerst als Schauspielerin agierte, sich aber nach ihrer Hochzeit von der Bühne verabschiedete (oder verabschieden musste) und der Schriftstellerei zuwandte. Deren heute bekanntestes Werk ist die vielfach verfilmte und legendäre Geier-Wally.

Groß, größer, am größten
Anna Susanna Fries, Szene aus "Romeo und Julia" © Amber Tree, flickr.com
Anna Susanna Fries, Szene aus “Romeo und Julia” © Amber Tree, flickr.com

Oder auch Anna Susanna Fries (1827–1901, kein Link, da leider noch kaum Informationen im Netz) aus Zürich, die sich trotz des Widerstandes ihres Vaters der Kunst widmete und an den Kunstschulen in München und Paris und dann bei einzelnen Malern in Zürich studierte. Mitte der 1850er Jahre ließ sie sich als Porträtistin in ihrer Heimatstadt nieder und malte u. a. die weltbekannte Schriftstellerin Johanna Spyri (Heidi, 1827–1901) – auch diese eine der größten Schweizerinnen. Durch den Auftrag, die niederländische Königin und deren Hof zu porträtieren, arbeitete Anna Susanna Fries für zwei Jahre in Holland. In Florenz gründete sie Anfang der 1870er Jahre eine Kunstschule für Frauen, in der sie zwölf bis zwanzig Schülerinnen hatte. Nach einer Reise in den Orient malte sie besonders auch Landschaften und Figuren. Ihre eigentliche Stärke aber war die Porträtmalerei.[1]

Seltene Angaben

So weit, so groß. Aber wer waren denn nun die wirklich größten Schweizerinnen der 1850er Jahre? In ganz, ganz seltenen Fällen kann man das nämlich auch auf die pure Körpergröße anwenden, sofern sich Angaben zu Körpergrößen von Menschen aus dieser Zeit überhaupt erhalten haben.

Einer dieser Fälle kam heute während meiner Recherchen in einer historischen Augsburger Tageszeitung zu Tage. Darin wurden zwei Schweizer Schwestern als wandelnde Riesensensation angekündigt mit folgenden Worten: „Die größten Schweizerinnen 1858“ weiterlesen

Gioachino Rossini – Superstar mit Pelz in Weinheim/Bergstraße

Es war einmal ein Mann, der – in Pelz gehüllt – an einem Tag im Herbst des Jahres 1856 im kleinen Weinheim an der Bergstraße (zwischen Frankfurt/Main und Mannheim gelegen) für einen Straßenauflauf sorgte. Eigentlich sorgte nicht der Mann in Pelz für Furore (der niemand Geringeres als der berühmte Komponist Gioachino Rossini war), sondern womit er reiste: Mit der Extrapost, das heißt einer extra schnellen Kutsche mit vier Pferden für geballte Vorwärtskommkraft und mit zwei Postillonen auf dem Kutschbock, die nicht überall hielt.

Hoch auf dem gelben Wagen
Hermann Kauffmann, Extrapost im Schneesturm, ca. 1855 © darkclassics.blogspot.com
Hermann Kauffmann, Extrapost im Schneesturm, ca. 1855 © darkclassics.blogspot.com

In der Zeit der Romantik waren Postkutschen ein beliebtes Motiv von Maler:innen. Solche Kutschen scheinen um 1856 offenbar aber bereits eine Seltenheit gewesen zu sein; erst wenige Jahre zuvor hatten moderne Eisenbahnen damit begonnen, die althergebrachten Reise- und Postkutschen nach und nach zu verdrängen. Zumindest auf den Straßen, die auf den kürzesten Strecken zwischen A und B mit Schienen für das Dampfross versehen wurden. Mit dem Zug kam man schneller und bequemer voran als in einer Kutsche, deren Pferde zudem an den einzelnen Wegstationen ausgetauscht und/oder umgespannt werden mussten. Die Cholera kam dadurch auch schneller von A nach B, aber das ist eine andere Geschichte.

Rossini im Klangrausch?

„Gioachino Rossini – Superstar mit Pelz in Weinheim/Bergstraße“ weiterlesen

Léocadie de Beauvoir – Das aufmüpfige Geschlecht

Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen nichts“ – Simone de Beauvoir (1908–1986) ist als französische Schriftstellerin und Philosophin weltbekannt. Besonders mit ihrem Werk Das andere Geschlecht (1949) hat sie einen Meilenstein der feministischen Literatur geschaffen. Aber wer kennt Léocadie de Beauvoir (1823–1859), die ein freies und eigenständiges Publizieren nicht nur für – die mit ihr nicht verwandte – Simone de Beauvoir, sondern wohl für alle Schriftstellerinnen durch ihre Hartnäckigkeit erst ermöglicht hat?

Genau. So habe ich auch geschaut, als ich heute diese ganz besondere Nachricht im Augsburger Tagblatt entdeckt habe und dieser weiter nachgegangen bin im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten bzw. Unmöglichkeiten.

Wer war Léocadie de Beauvoir

und was genau war dieser offensichtliche Meilenstein der Frauengeschichte und Frauenliteraturgeschichte, den sie da offenbar lange vor Simone de Beauvoir geschaffen hat? „Léocadie de Beauvoir – Das aufmüpfige Geschlecht“ weiterlesen

Ethel Smyth – Suffragette in München | #femaleheritage

Read this article in English here: Ethel Smyth – a  firecracker in Munich. Thanks to Gabriella Di Laccio to publish it on her website ‘donne – women in music’ (28, Juni 2021)

Ethel Smyth (1858–1944) war ein Kracher. Sie ließ so gut wie nichts anbrennen, war ihrer Zeit voraus, bewegte sich in höchsten und coolsten Kreisen, war musisch wie schriftstellerisch höchstbegabt, war unglaublich mutig, indem sie sich gegen gesellschaftliche Normen und Frauenhasser stellte und dadurch großartiges Neues schuf, darunter ihr The March of the Women, den sie 1910 für die Treffen und Demos der britischen Frauenwahlrechtskämpferinnen zusammen mit der Poetin Cicely Hamilton (1872–1952) verfasst hatte. Dieser Marsch ist in den letzten Jahren bekannter geworden und wird gerne – weil er so wunderbar eingängig ist – mittlerweile wieder besonders zu Veranstaltungen rund um den Internationalen Frauentag gesungen. Auch im Film Suffragette (2015) konnte man einen Teil davon bei einer nachgestellten Demo hören.

Leipzig, ick hör dir trapsen

Ethel Smyth, aufgewachsen in einem Vorort von London in einer Familie der gehobenen Mittelschicht, hatte eine deutsche Nanny, die in Leipzig pianistisch ausgebildet worden war und Klein-Ethel Klavierunterricht gab. Es stellte sich schnell heraus, dass Ethel für Musik besonders begabt war. In ihr reifte die Idee, ebenfalls in Leipzig zu studieren. Aber nicht das Klavierspiel, um Interpretin zu werden, sondern um Komponistin zu werden! Das galt damals als ziemlich aussichtslos, da Frauen aufgrund ihres Geschlechts keine Chance hatten, als Kapellmeisterin einen Job zu bekommen. Was mit ein Grund ist, warum Großwerke von Frauen heute kaum bekannt sind – sie konnten ihre Werke eben nicht einfach mit einem Orchester, dem sie vorstanden, einüben und selbstverständlich aufführen.[1] Sie hätten dazu ein Orchester und einen Konzertsaal anmieten und hätten selbst für Werbung etc. sorgen müssen. Emilie Mayer (1812–1883), die als ‚weiblicher Beethoven‘ einst eine lebende Legende war, konnte das eine Zeit lang, weil sie über entsprechendes Privatgeld verfügt hatte – das dann irgendwann aufgebraucht war, sodass weitere Großwerke wohl deswegen zu Lebzeiten nie auf die Bühnen gebracht wurde. „Ethel Smyth – Suffragette in München | #femaleheritage“ weiterlesen

Anna Billmaier, die Schlächterin von Haidhausen | #femaleheritage

Historische Zeitungen sind nicht nur ein Quell der Freude an längst verschütt gegangenen Nachrichten zu Kunst und Kultur, sondern auch ein Hort der Dokumentation des Bösen wie im Fall der Anna Billmaier in München-Haidhausen 1848.

CN Gewaltverbrechen
Triggerwarnung!

Im Rahmen der Forschungen zu meiner musikwissenschaftlichen Dissertation anhand mehrerer historischer Augsburger Tageszeitungen der Jahre 1746 bis 1878, die national und international berichteten, kam auch eine Fülle an Gewaltverbrechen und vermeidbarer Tode hervor. Unter Ersteren auch eine Menge an – in heutigen Zeitungen gerne genannten – ‚Beziehungsdramen‘; Männer, die ihre Ehefrauen und/oder Kinder aus eigenem Lebensüberdruss umbrachten, aus Eifersucht, kleinem Ego und toxischen Männlichkeitsvorstellungen – die ganze Palette, die man noch heute in solchen Nachrichten findet. In historischen Zeitungen, die aus (pseudo)moralischen Gründen unschickliche Begriffe sonst vermieden, werden solche Morde sehr klar als solche bezeichnet. Das Wort ‚Beziehungsdrama‘ habe ich in keiner der vier von mir lückenlos untersuchten Magazine gelesen. „Anna Billmaier, die Schlächterin von Haidhausen | #femaleheritage“ weiterlesen

Politisches Credo in Hosen mit Löwinnen | #femaleheritage

„Wenn wir jedoch verstehen wollen, warum Frauen, selbst wenn ihnen nicht der Mund verboten wird, noch immer einen sehr hohen Preis zahlen, um Gehör zu finden – und wenn wir daran etwas ändern möchten –, dann müssen wir einsehen, dass das Ganze komplizierter ist und eine lange Geschichte dahintersteht.“ – Mary Beard, mit Weitsicht

Sie hat recht. Es. Ist. Kompliziert. Und es ist mit einer langen Geschichte dahinter. Auch noch unbekannter Geschichte, die ich in diesem Blogtext mit einer neuen Theorie für die #femaleheritage-Blogparade der Monacensia München erstmals vorstellen möchte. Was es nicht weniger kompliziert macht. Das Bekannte sind einzelne Leuchtpunkte der Frauenbewegungsgeschichte, die aber offenbar ein ganzes Lichtermeer hinter sich gehabt haben in Form einer noch unbekannten Pariser Frauenbewegung, die über klare Erkennungsmerkmale verfügte, einen Namen hatte und die meinen Überlegungen nach wegweisend für die deutsche Frauenbewegung ab 1848/49 gewesen war.

Neue Wege

Seit Jahren beschäftige ich mich im Rahmen meiner musikwissenschaftlichen Dissertation mit mehreren historischen Augsburger Tageszeitungen, die ich für die Jahre 1746 bis 1878 hauptsächlich auf Musikkulturnachrichten in Gänze abgegrast habe. Das ergab ein unglaublich dichtes Netz an großteils unbekannten Informationen nicht nur zum Musik- und Kulturleben, das Hand in Hand ging, sondern auch zu allem, was die Menschen bewegt hat. Angefangen von seltsamen Wettererscheinungen und Naturkatastrophen (lückenlos dokumentiert) und neuen Erfindungen (und bekannte, die teils noch weiter zurückdatiert werden können), über unbekannte Episoden und Einzelschicksale aus der Französischen Revolution bis hin zu politischen Begebenheiten, die die Welt aus den Fugen gebracht haben. „Politisches Credo in Hosen mit Löwinnen | #femaleheritage“ weiterlesen

Clara Schumann hat null Bock | #femaleheritage

Clara Schumann hat null Bock. Sidekick: Unbekanntes zu Franz Liszt in Augsburg. Neues zur Konzertorganisation im 19. Jahrhundert in Augsburg und München

Maximilianstraße Augsburg. I. Owen nach Robert Batty, ca. 1835 © wikimedia.commons (gemeinfrei)
Maximilianstraße Augsburg. I. Owen nach Robert Batty, ca. 1835 © wikimedia.commons (gemeinfrei)

Blogtext gewidmet meiner Freundin Luise Kimm, Sängerin

This blogtext, written for the #femaleheritage blogparade of the Monacensia Munich, is now available in English! Thanks to Gabriella Di Laccio to publish it on her website Donne365!

Geht man ins Konzert, geht man in ein Konzerthaus, ins Theater oder in eine Kirche. Im 18. und 19. Jahrhundert ging man dazu in eine Gaststätte, in ein Hotel oder in eines der Zunfthäuser, die über einen großen Tanzsaal für Hochzeiten und andere Anlässe verfügten. Eigens als Konzertsaal angelegte Lokalitäten gab es erst relativ spät mit steigender (Massen)Nachfrage von Konzerten der Virtuosen-Superstars Niccolò Paganini (1782–1840) und Franz Liszt (1811–1886), der Schwestern Teresa (1827–1904) und Maria (1832–1848) Milanollo sowie ganzer Orchestertrupps wie dem von Johann Strauss sen. (1804–1849), die auf ihren Tourneen überall und von sehr vielen Menschen gehört werden wollten. Einer der ersten neugebauten richtigen Konzertsäle war das Münchner Odeon, erbaut 1826/28 von Leo von Klenze (1784–1864) für genau solche Zwecke.

Gaststätten im Zentrum
Apollo-Saal der Goldenen Traube. Postkarte um 1910 © Eigentum von Susanne Wosnitzka
Apollo-Saal der Goldenen Traube. Postkarte um 1910 © Eigentum von Susanne Wosnitzka

In Augsburg hingegen gab es so etwas bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht. Dafür hatte man den großen Apollo-Saal der heute nur noch wenig bekannten Goldenen Traube, die im 18. und 19. Jahrhundert das Zentrum bürgerlicher Musikausübung war und Thema meiner sich in Arbeit befindenden Dissertation ist. Für diese durchforstete ich in den letzten Jahren neun Augsburger Tageszeitungen der Jahre 1746 bis (jetzt) 1878 (vorläufiges Ende der Digitalisierung mit Warten auf Nachschub) auf Musik- und Kulturnachrichten – über 100 Jahre dichteste Lokal- und Weltgeschichte mit zahlreichen anderen hochinteressanten Funden anderer Sparten, mit denen sich zum Beispiel auch die Geschichte der Ballonfahrt neu schreiben ließe oder die europäische Frauenbewegungsgeschichte, zu der ich einen eigenen unbekannten französischen Strang entdeckt habe, der zum Inhalt eines anderen Histoblogs der #femaleheritage-Blogparade der Monacensia München wird. An dieser Stelle bedanke ich mich herzlich bei den Organisatorinnen für die persönliche Einladung, für diese Aktion mein Wissen in mehreren Blogtexten präsentieren zu können. Dieser hier ist der erste in der Reihe. „Clara Schumann hat null Bock | #femaleheritage“ weiterlesen

Die Podcastin | Die Rohnerin und laStaempfli über Komponistinnen

Seit gestern online findet man im Netz bzw. auf der gemeinsamen Website Die Podcastin der Literaturwissenschaftlerin und Publizistin Dr. Isabel Rohner und der Historikerin und Politikwissenschaftlerin Dr. Regula Staempfli – kurz: die Rohnerin und laStaempfli – eine grandios-frische Folge der Podcastin über Komponistinnen. Da die Einbettung nicht funktioniert hat, bitte aufs eingefügte Bild klicken, und Sie gelangen direkt zur Podcastin:

Wie das alles zusammenhängt:

laStaempfli: “[Auf das Thema] bin ich gestoßen dank Susanne Wosnitzka, die ist großartig auf Twitter als @Donauschwalbe, die macht wahnsinnig viel, kümmert sich extrem um das Archiv Frau und Musik […] und weiß extrem viel über Komponistinnen und um die Mechanismen der Sichtbarmachung. Also sie bietet uns großartige Werkzeuge, um den Kanon [der festgefahrenen klassischen Musik] völlig zu verändern.”

Rohnerin: “Folgt ihr unbedingt auf Twitter, und – liebe Leute, die ihr bei den Medien arbeitet: schreibt sie an für Expertise, nehmt sie auf, interviewt sie. Das ist die Expertin für Komponistinnen.”

Vielen Dank für die Blumen, die ich an euch zurückgeben kann, weil auch ihr in euren Sparten und mit der Podcastin so hervorragende Arbeit leistet, auch beim Netzwerken! „Die Podcastin | Die Rohnerin und laStaempfli über Komponistinnen“ weiterlesen

Fanny Hensel und die “Cholera-Kantate”

Fanny Hensel 1829. Zeichnung von Wilhelm Hensel © Wikimedia.Commons (gemeinfrei)
Fanny Hensel 1829. Zeichnung von Wilhelm Hensel © Wikimedia.Commons (gemeinfrei)

Fanny Hensel geb. Mendelssohn (1805–1847) schrieb 1831 im Alter von 26 Jahren ein gut halbstündiges chorsinfonisches Werk, das Oratorium nach Bildern der Bibel, darin auch die Cantate für die Toten der Cholera-Epidemie, die damals über mehrere Jahre in vielen Städten grassierte und die Leute in schiere Panik versetzte.

Wie verheerend die Seuche in Preußen war, schildert zum Beispiel dieser Artikel (Dt. Ärzteblatt, 2007). Wie zum Beispiel das Augsburger Tagblatt berichtet, versuchte man mit allerlei Mitteln und Mittelchen vorzusorgen, von Blutegeln bis Aderlass:

Cholera Behandlungstipps 1830, Augsburger Tagblatt. Screenshot © Susanne Wosnitzka
Cholera Behandlungstipps 1830, Augsburger Tagblatt. Screenshot © Susanne Wosnitzka
Panikvermeidung trotz Cholera

In Städten waren Wirte und Toreinlasser verpflichtet, sämtliche Einreisende zu melden mit Herkunft, Namen, Pass etc. Zeitungsmeldungen zeigten an, wo die Cholera grade besonders grassierte. Briefe von auswärts wurden zum Beispiel in Wien durchstochen und geräuchert, um zu versuchen, damit Keime abzutöten.[1]

„Fanny Hensel und die “Cholera-Kantate”“ weiterlesen

Über die Donau – was Berblinger nicht schaffte, schaffte Madame Bittorf

Berblingers Flugversuch © Wikimedia.Commons (gemeinfrei)
Berblingers Flugversuch © Wikimedia.Commons (gemeinfrei)

Bittorf vs. Schneider von Ulm? Dieses Jahr würde der ‘Schneider von Ulm’, Albrecht Ludwig Berblinger (1770–1829) seinen 250. Geburtstag feiern – in Ulm soll er daher groß geehrt werden. Der Mann, der Pioniergeist besaß und vom Fliegen träumte und wegen widriger Umstände dann doch scheiterte. Nach einer erzwungenen Ausbildung zum Schneider – er wäre viel lieber Uhrmacher und Mechanikus geworden – entwickelte er erstaunlich arbeitende Bein- und Fußprothesen, die Vorbild für den Ulmer Chirurgen Johannes Palm (1749–1851) wurden, der als einer der ersten Ärzte überhaupt Chloroform und Äther zur Narkose einsetzte.

Berblingers bekanntestes Gerät ist ein Fluggleiter, mit dem er heimlich in den um Ulm liegenden Weinbergen übte, wo thermische Aufwinde für eine ideale Flugsituation vorhanden waren – aber nicht unten in der Stadt an der Donau, und genau das wurde ihm später zum Verhängnis. Wer solch ein Gestell durch die Stadt in die Weinberge trägt, bleibt nicht unbemerkt: Friedrich I. von Württemberg (1754–1816) hatte von Berblingers Versuchen buchstäblich Wind bekommen und wollte unbedingt einen Flug von ihm sehen, denn was heute für uns selbstverständlich erscheint, war damals eine unglaubliche Sensation. „Über die Donau – was Berblinger nicht schaffte, schaffte Madame Bittorf“ weiterlesen

Johnny and Bella – What If

Johnny and Bella (first published March 6, 2016) is my blog text at What if? Your participatory arts community on identity. What if? is part of TransCoding–From ‚Highbrow Art‘ to Participatory Culture, an arts-based research project conceived of by the artist and researcher Prof. Dr. Barbara Lüneburg (project leader), funded by the Austrian Science Fund FWF (PEEK AR 259-G21) and located at the University of Music and Performing Arts in Graz/Austria. The project was run by an international team of artists (e.g. composer Clio Montrey as social media strategist) and researchers from February 1, 2.2014 to January 30, 2017.

#GYHAFY – Give yourself a holiday away from yourself

#GYHAFY is part of ‚What if?‘. I’ve been invited by Barbara to be a part of it. Weeks ago before the invite I saw this picture on tagg magazine’s site about historical lesbian couples. To me this picture of these amazing persons is something magical. But the life of this couple is completely unknown. A wonderful occasion on giving an identity! Barbara asked some questions. The idea behind: be another (invented) person. The following story is a mix of invention, history, and my personal experiences. I gave them a name: Johnny and Bella. A very special couple. The beginning of a new story. „Johnny and Bella – What If“ weiterlesen

In eigener Sache – kein Fußbreit

Zartes Pflänzchen Demokratie © Susanne Wosnitzka 2015
Zartes Pflänzchen Demokratie © Susanne Wosnitzka 2015

Seit dem 4. Dezember 2019 habe ich einen Eintrag im “Hetzportal” (Zitat Süddeutsche Zeitung, 28. Juli 2017) WikiMANNia, in dem ich fälschlicher und rufschädigender Weise als “männerhassende” Musikwissenschaftlerin bezeichnet werde, untermalt mit Fotos, für die ich niemals meine Genehmigung gegeben habe und deren Urheberrecht deutlich und unredlich missachtet wird.

Klarstellung: Ich setze mich selbstverständlich für Frauenrechte und Frauengeschichte ein. Frauenrechte sind Menschenrechte. Menschenrechte sind auch Frauenrechte. Ich fordere Parität in allen Belangen – Grundbedingung für ein demokratisches und freiheitliches Zusammenleben, auch und vor allem im Kulturbereich, weil: „In eigener Sache – kein Fußbreit“ weiterlesen

Nannette Streicher – die Frau, die zweimal feiern könnte, aber…

Nannette Streicher. Tuschezeichnung von Ludwig Krones 1836 © Wikimedia.Commons (gemeinfrei)
Nannette Streicher. Tuschezeichnung von Ludwig Krones 1836 © Wikimedia.Commons (gemeinfrei)

This blogtext is now available in English! Thanks to Gabriella Di Laccio and DONNE | Women in Music for the kind support!

… offenbar von niemandem gefeiert wird. Weder in ihrer Heimatstadt Augsburg noch in Wien und anderen Klassikkreisen wird Nannette Streichers diesjähriger 250. Geburtstag (2. Januar 1769) gefeiert oder wertgeschätzt, obwohl die Musikkulturwelt ohne sie und ihr Instrumentenbaugenie wesentlich ärmer geblieben wäre. Sie ist eine der sog. „vergessenen“ Frauen bzw. deren Leistungen nach ihrem Tod bagatellisiert und/oder wie beiläufig abgetan und dadurch lange von der Musikgeschichtsschreibung übergangen wurde.

Das heute eher beschaulich wirkende Augsburg war zu Nannettes Lebzeiten ein geradezu begehrter Schmelztiegel der Kulturgeschichte. Besonders die Goldene Traube in der heutigen Maximilianstraße (damals Weinmarkt) mit mehreren Konzert- und Veranstaltungssälen war Hauptumschlagsplatz bürgerlicher Musikkultur neben dem privaten Fuggerischen Konzertsaal, der ums Eck am Zeugplatz lag, und den Sälen der Zunfthäuser, in denen Veranstaltungen der bürgerlichen Collegia musica stattfanden. Daneben war Augsburg hochbedeutendes Zentrum des Presse- und Verlagswesens, auch durch die Musikverlagshäuser von Johann Jakob Lotter, Anton Böhm & Sohn und später Andreas Gitter[1]. „Nannette Streicher – die Frau, die zweimal feiern könnte, aber…“ weiterlesen

Erbach – Ein Dorf schreibt “fast” Weltgeschichte

Schloss Erbach mit Barockgarten © Susanne Wosnitzka 2014
Schloss Erbach mit Barockgarten © Susanne Wosnitzka 2014

Wie kann ein Dorf fast Weltgeschichte schreiben? Mein Heimatdorf Erbach bei Ulm (seit über 15 Jahren Stadt, aber es fühlt sich nicht wirklich wie eine Stadt an) liegt beschaulich an der wirklich zauberhaften Oberschwäbischen Barockstraße an der alten Donau zwischen Ehingen und Ulm, mit dem malerischen Hochsträß im Rücken, etwas keltischer Geschichte im Wald und einem erhaben auf einem Hügel thronenden strahlend gelben Schloss aus der frühen Renaissance, in dem seither die Familie derer von Ulm zu Erbach wohnt.[1] Auf dem ansonsten geziegelten Dach des Schlosses befindet sich eine Stelle, die mit einem wirklich großen Stück Blech bedeckt ist. Auf die Frage nach dem Warum erhielten wir stets nur die Antwort: „Damit da die Geister besser raus- und reinfliegen können.“ Das war für uns als Kinder gleichermaßen gruselig wie faszinierend. Noch heute schaue ich immer zu diesem Stück Blech, wenn ich wieder daheim in Erbach bin.

Beziehung Erbach und Japan

Eine andere Geschichte lautet so, dass der erste Entwurf der japanischen Verfassung einer Legende nach auf Schloss Erbach entstanden sein soll. Dazu später mehr. Von diesem Schloss aus hat man „Erbach – Ein Dorf schreibt “fast” Weltgeschichte“ weiterlesen

Neuer Essay über Elke Mascha Blankenburg (1943–2013)

Elke Mascha Blankenburg © Christel Becker-Rau. CC BY-SA 4.0
Elke Mascha Blankenburg © Christel Becker-Rau. CC BY-SA 4.0

Am kommenden Sonntag, am 17. November 2019, feiert das Archiv Frau und Musik sein 40-jähriges Bestehen im Frankfurter Römer in einem großen Festakt mit Musik von Frauen und legendären Wegbereiterinnen wie Prof. Dr. Eva Rieger.

Triebfeder zur Gründung dieses weltweit ältesten, größten und bedeutendsten Archivs für Musikgeschichte von Frauen war ELKE MASCHA BLANKENBURG (1943–2013). Als Dirigentin im Studium war sie selbst als Frau schwer diskriminiert  worden und fragte sich, wo der Anteil von Frauen an der Kultur- bzw. Musikgeschichte geblieben ist. Sie recherchierte und verfasste 1977 einen Aufsehen erregenden Artikel in der EMMA, in dem auch ihre Wut über dieses “Vergessen” klar zum Ausdruck kam, das auch hauptsächlich eine Verleugnung an Frauengeschichte war.

Daraufhin bekam sie unzählige entsetzte und gleichzeitig begeisterte Zuschriften, wie man diesen Zustand der “Vergessenheit” ändern könne: Frauen kamen zusammen, um in Archiven gezielt nach unbekannten Werken von Geschlechtsgenossinnen zu suchen, sie zu sammeln und aufzuführen. Aus dieser Gruppe heraus gründete sich der Internationale Arbeitskreis Frau und Musik e. V., der bis heute Träger des Archivs Frau und Musik ist.

Digitalisierung = Sichtbarmachung

Durch eine Projektförderung durch den i.d.a.-Dachverband aller deutschsprachigen FrauenLesbenarchive bzw. durch dessen Projekt Digitales Deutsches Frauenarchiv war es möglich, die Geschichte dieses so bedeutenden Archivs teilweise aufzuarbeiten. Im September 2019 ging dieses Projekt in einem feierlichen Festakt in der Humboldt-Universität zu Berlin online. Eine Reihe von Essays auch zur Frauenmusikgeschichte generell runden diese Arbeit ab.

Der erste Essay dieser Reihe ist eine umfangreichere Biografie zur Gründerin des Archivs Frau und Musik, Elke Mascha Blankenburg, den ich zusammen mit meiner Kollegin Anne-Marie Bernhard verfasst habe. Dieser Aufsatz ist zugleich die bislang umfangreichste Biografie Blankenburgs. Im Archiv Frau und Musik ist ihr gesamter Nachlass zu finden, der einst aus 17 vollgepackten Umzugskartons bestand – ideal, um daraus eine richtig große Arbeit zu schreiben.

Eine Liste, die im Archiv Frau und Musik anfragbar ist, bietet mehr als 50 Bachelor-, Master- und Dissertationsthemen rund um Frauenmusikgeschichte. Nutzen Sie diese kostbaren Schätze! Unterstützen Sie dieses Juwel an Geschichte, das sich seit starken Mittelkürzungen noch immer auf der Roten Liste bedrohter Kultureinrichtungen befindet.

Leonore Siegele-Wenschkewitz-Preis 2019 EKHN

Helga Engler-Heidle und Ute Knie erzählen im Film © Susanne Wosnitzka

Heute (10. November 2019) wurde in der Evangelischen Akademie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) am Römerberg in Frankfurt am Main der Leonore-Siegele-Wenschkewitz-Preis 2019 an die feministischen Theologinnen Helga Engler-Heidle und Ute Knie verliehen. In ihrem großartigen Projekt Frauenbewegung in der EKHN online – im Frühling 2020 auch als Buchform erhältlich – zeichnen sie die Geschichte der Frauenbewegung in der EKHN ab Ende der 1960er Jahre anhand von Porträts, Artikeln, Podcasts etc. nach. Dadurch wird dieser Teil der Frauengeschichte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Arbeit der in den verschiedenen Frauengruppen der EKHN agierenden Frauen ist zu verdanken, dass in der evangelischen Kirche Frauen gleichberechtigt Pfarrerinnen sein können.

Wikipedia – mehr Sichtbarkeit

Für diese Sichtbarkeit im Internet war von Helga Engler-Heidle und Ute Knie auch eine erweiterte Präsenz in der Wikipedia gewünscht. Von Dr. Antje Schrupp wurde ich als Beraterin und Lektorin empfohlen und dann von der EKHN beauftragt. Nach einem von mir erteilten Wikipedia-Workshop, an dem auch Führungspersonen der EKHN begeistert teilnahmen, konnte die Umsetzung beginnen. So entstanden unter meiner Anleitung nach und nach ein Hauptartikel zur Frauenbewegung in der EKHN sowie sechs Personenartikel zu bedeutenden Frauenpersönlichkeiten auch aus Forschung und Lehre, die massiv zu dieser Emanzipation, Bewegung und Gleichberechtigung in Kirche und Gesellschaft beigetragen haben, wie z. B. Heidi Rosenstock, Dr. h. c. Eva Renate Schmidt, Helga Trösken und Ursula Trautwein.

Einer der LaudatorInnen – Propst Dr. Klaus-Volker Schütz – hob “besonders die kompetente Integration von Wikipedia-Artikeln” und die “herausragende Beratung” hervor, die mit dazu beigetragen habe, dass “dieses Projekt so auszeichnungswürdig ist”. Die Sichtbarmachung von Leistungen von Frauen ist ein bedeutender Beitrag und unabdingbarer Baustein zur Gleichberechtigung.  Erstmals ging der Leonore-Siegele-Wenschkewitz-Preis an ein Online-Projekt.

Meilenstein

Miniatur in einer Pariser Handschrift der “Cité des Dames” © Wikimedia.Commons (gemeinfrei)

Durch meine Arbeit konnte ich zu diesem Meilenstein beitragen – auch als Femmage und Fortsetzung an und von Christine de Pizans (1364–nach 1429) Stadt der Frauen. Darin erschaffen sich Frauen ihre eigene Erinnerungswelt, in der ihnen vorangegangene Frauen die Bausteine für die Gegenwart und Zukunft darstellen, weithin sichtbar als strahlende, glänzende Stadt und feste Burg.

Zum Weiterlesen:
Antje Schrupp: So kam die Frauengeschichte der hessen-nassauischen Kirche ins Internet, in: Evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach (Hg.): Evangelisches Frankfurt und Offenbach, veröffentlicht am 22. August 2018 (Stand: 9. November 2019).
Melanie Keim: Wer schreibt eigentlich für Wikipedia? Vor allem Männer. Das soll sich ändern, in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ, Hg.), Online-Artikel vom 8. Februar 2019 (Stand: 10. November 2019).

Vilma von Webenau – neueste Erkenntnisse zur Schönberg-Schülerin

Konzertplakat in Wien © Susanne Wosnitzka
Konzertplakat in Wien © Susanne Wosnitzka

Eine neue Publikation zu meiner Forschungsarbeit zu Vilma von Webenau (1875-1953, erste bekannte Schülerin von Arnold Schönberg) ist nun als Blogtext erschienen als eine Art Vorschau auf eine geplante größere Publikation mit dem Certosa-Verlag mit bislang unveröffentlichten und unbekannten Neuauffindungen zu Vilmas Todesumständen, zu ihrem lesbischen Freundinnenkreis (war auch sie selbst eine “Lesbe unterm Hakenkreuz”?), zu ihrem Nachlass, mit Überlegungen zu ihrer durchaus möglichen Mozart-Urenkelinnenschaft bis hin zu Aufführungen ihrer Werke in Graz unter GMD Oksana Lyniv (2020) und in Wien unter Marin Alsop (Saison 2019/20)!

Mit Dank an Gaby Dos Santos und dem Jourfixe Muenchen e. V. für die Veröffentlichung.

Danke für Vilma

Und das alles wäre NICHT möglich gewesen ohne die Vorarbeit von musica femina münchen e. V. und dem großen Interesse an meiner Arbeit durch das Münchner Stadtmuseum, der MDW Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, QWIEN, dem Primavera Festival Wien sowie zahlreichen begeisterten Leuten wie Andreas Brunner, Prof. Dr. Annegret Huber (mdw), Attilia Kiyoko Cernitori (Einstudierung/Dirigat von Webenau-Werken in Wien 2018), León de Castillo, Gerhard Alexander von Webenau, dem Frauen-Orchester-Projekt unter Leitung von Mary Ellen Kitchens (Einstudierung/Dirigat eines großen Webenau-Werks in Berlin 2018), Dr. Christian-Alexander Wäldner für u. a. Fotos von Vilmas ehem. Grablege, dem Archiv Frau und Musik für vorangegangene Veröffentlichungen dazu in der “VivaVoce”, dem Sophie Drinker Institut für eine ebensolche Veröffentlichung und so vielen mehr, die dafür gesorgt haben, dass ein Interesse an Leben und Werk von Vilma von Webenau nach “ganz oben” durchgesickert ist. Das kam nicht von alleine.

D*A*N*K*E für euren/Ihren Support für diese Arbeit, die ich derzeit noch privat betreibe.

Einzelheiten sowie den Blogtext finden Sie hier im Jourfixe-Blog sowie viele, viele wesentlich detailliertere Ausführungen mehr dann in der ausführlichen kommenden Publikation (in Arbeit).
 

Vilma von Webenau – verwehte Spuren finden

Als in Ulm einmal ein Elefant in der Donau badete

Nabadender Elefant in der Donau in Ulm © Susanne Wosnitzka
Nabadender Elefant in der Donau in Ulm © Susanne Wosnitzka

Im Juli des Jahres 1839 gastierte einst eine Schausteller- und Zirkustruppe in Ulm, unter deren Attraktionen sich auch ein Elefant befand. Solche durch die Lande rollenden Sensationen waren immer beliebt – und leider oft auch die einzige Möglichkeit für Menschen, die „anders“ beschaffen waren, eigenständig Geld zu verdienen: Kleinwüchsige oder die “dickste Frau der Welt”, KünstlerInnen ohne Arme oder Beine, die auf Musikinstrumenten spielten – alles war dort als ‘Freakshow’ zu sehen, alles strömte in die Vorstellungen und ergötzte sich auch an der Exotik “wilder” Tiere, die oft unter grauenhaften Umständen aus der Natur gerissen, über die Meere transportiert und in engen und kleinen Käfigen gehalten und begafft wurden.

Nabadender Elefant

Im jenem Sommer von 1839 war es wohl auch so heiß wie bei uns gerade jetzt. „Als in Ulm einmal ein Elefant in der Donau badete“ weiterlesen

Colette und Willy? Colette und Max!

Ich komme grade aus Colette, ein neues Biopic über die französische Schriftstellerin Colette mit Keira Knightley in der Hauptrolle.

Man hätte meinen können, Colette hätte nicht in Paris gelebt, sondern weiterhin im Dorf oder in einer Kleinstadt – als hätte sie vom Lebensgefühl der Zeit nicht viel mitbekommen. Willy und Colette wäre passender gewesen – viel zu viel Schwerpunkt auf Willy. Colette erschien mir nur eher als Beiwerk, sie erfuhr kaum Aha-Erlebnisse im Gegensatz zum Beispiel zur Hauptprotagonistin in Suffragette. Viel zu viel My-fair-Lady-Story als Emanzipationsvorgänge. Ersteres war zwar auch Colettes Lebensthema, aber eher später und später in ihren Romanen umfassender verarbeitet.

Leider fehlt in diesem Biopic Colettes wichtige Bezugsperson Natalie Clifford-Barney, mit der sie zeitweise zusammenlebte und ein Liebesverhältnis hatte, komplett. Ebenso fehlen „Colette und Willy? Colette und Max!“ weiterlesen