Augsburg und die Pocken im Kriegsjahr 1871

Alphonse de Neuville: Kämpfe am 18. August 1870 auf dem Friedhof von Saint-Privat © wikimedia.commons (gemeinfrei)
Alphonse de Neuville: Kämpfe am 18. August 1870 auf dem Friedhof von Saint-Privat © wikimedia.commons (gemeinfrei)

Vorab: Dieser Blogtext ist mittlerweile lang, stellt aber gleichzeitig eine Quellenpublikation zu den damaligen Epidemiegeschehnissen in der Stadt Augsburg dar. Aktuell (Stand: 17. Februar 2022) habe ich dieses Seuchenjahr noch nicht abgeschlossen, daher werden weitere Funde untenstehend als Update ergänzt.

Durch den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 fand eine unglaublich starke Truppenbewegung in Europa statt. Die Eisenbahn brachte die Soldaten samt Equipment und Versorgung teils über sehr weite Strecken zu den Kriegsschauplätzen und – als Verwundete und/oder Kriegsgefangene – auch wieder zurück. In den Lagern grassierten durch Massenansammlungen und furchtbare hygienische Zustände vor allem über den Winter in den im Matsch stehenden Zeltstädten ansteckende Krankheiten, besonders Typhus, Augenentzündungen und – alte Bekannte – die Pocken, in dieser Zeit auch noch Blattern [Wikipedia-Artikel, doch VORSICHT: graphic content!] genannt. Durch schnelle Ortswechsel konnten sich die Pockenviren auch schnell verbreiten. Auch der Abriss von Verteidigungsanlagen und der Wegfall von Kontrollmechanismen durch Abschaffung von Eingangskontrollen in den Städten in den 1860er Jahren führten zu lokalen teils sehr heftigen Ausbrüchen. „Augsburg und die Pocken im Kriegsjahr 1871“ weiterlesen

Pocken – wie die Impfung nach Augsburg kam

Ludwig XVI., gezeichnet von Joseph Ducreux 1793 © wikimedia.commons (gemeinfrei)
Ludwig XVI., gezeichnet von Joseph Ducreux 1793 © wikimedia.commons (gemeinfrei)

König Ludwig XVI. von Frankreich (1754–1793) war überzeugter Impffreund gegen die Pocken, und das bereits 1786, als es noch keine regulär weitflächig eingesetzte Impfung gegen die Seuche gab und solche noch nicht über das Stadium lokaler Versuche durch zum Beispiel Edward Jenner (1749–1823, erste Kinderimpfung als Experiment 1796) hinausgekommen war. Woher wusste der König also so ausgeprägt davon, dass er auch ganz klar erkannte, dass Schulen Hotspots zur Verbreitung der Krankheit waren? Eine Nachricht, die ich dazu in einer hist. Augsburger Tageszeitung gefunden habe, liest sich so weitdenkend, dass man kaum glauben mag, dass sie aus einer so frühen Zeit der Entwicklung von Impfungen stammt:

“Paris, den 19. März. 1786. […] Der König, von den Vortheilen der Blattern=Einimpfung überzeugt und Willens, das Ansteckende dieser Krankheit zu verhindern, welches sich besonders in denjenigen Häusern zeigt, wo viele Kinder vereinigt sind, hat befohlen, daß inskünftige kein Knabe mehr unter seine und der Königin Leibwagen und in die Militärschule, so wie kein Mädchen in das Haus von Saint=Cyr aufgenommen werden solle, bevor dieselben entweder die natürlichen oder eingeimpften Kinderpocken gehabt hätten, als worüber die Aeltern derselben schriftliche Zeugniße vom dem Arzt und Wundarzt des Orts ihres Aufenthalts, welcher von der Obrigkeit legalisirt seyn müssen, beyzubringen hätten.”[1] „Pocken – wie die Impfung nach Augsburg kam“ weiterlesen