(Vielleicht) Letztes Privatinterview mit Johannes Mario Simmel

Bücher von Johannes Mario Simmel zu verschenken © Susanne Wosnitzka
Bücher von Johannes Mario Simmel zu verschenken © Susanne Wosnitzka

Habe ich Ihnen schon die Geschichte erzählt, wie mir der Schriftsteller Johannes Mario Simmel (1924–2009) sein (vielleicht) letztes Interview gab?

An der Universität Augsburg studierte ich nicht nur Musikwissenschaft, sondern im Nebenfach auch Europäische Ethnologie bzw. Volkskunde, wie es damals noch hieß. Die heutige Präsidentin der Uni, Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel, war damals Lehrstuhlinhaberin und meine Dozentin. Später legte ich auch alle meine Prüfungen in diesem Fach bei ihr ab. Dieses Fach fiel mir zu – schon von klein an nahmen meine Eltern mich und meine Schwester in jedem Urlaub und auch so in jedes erreichbare Heimat- und Kunstmuseum mit. Dieses Fach war mehr Bestätigung meines Wissens denn forderndes Studium. Prof. Dr. Doering-Manteuffel hatte immer die spannendsten Seminare. Eines davon war ein ganzes Semester lang zu sog. Trivialliteratur, und wir nahmen alles durch, vor allem das, was viele schon als Kinder verschlungen hatten:

Sämtliche Internatsliteratur wie Hanni und Nanni, Dolly und Fünf Freunde, aber auch Werke von Rosamunde Pilcher und anderem Mainstream, die heitere Begeisterung auslöste. Mein Herz schlug höher, als ich im vorbereiteten Themenreigen las, dass auch zwei Romane von Johannes Mario Simmel darunter waren: Mit den Clowns kamen die Tränen (1987) und Es muss nicht immer Kaviar sein (1960). Besonders Letzteres ließ mich frohlocken, kannte ich es doch seit Kindertagen in- und auswendig. Als eingefleischter Geheimagentinnen- und Agentenfilm-Fan habe ich solche Literatur schon immer gerne verschlungen wie zum Beispiel auch Ken Folletts Die Nadel , zehn oder elf Jahre alt. Ich meldete mich sofort, um in den Seminaren einen Kurzvortrag und dann für den Schein eine Hausarbeit zum Kaviar zu schreiben.

Gesagt, getan

Also machte ich mich mit großer Lust ans Werk und recherchierte. Allerdings wurde ich damals noch nicht wirklich fündig, vor allem nicht zu einer näheren Entstehungsgeschichte dieses Agenten-Romans. Und da sich diese Geschichte auch noch vor 2005 abspielte, gab das Internet noch nicht allzu viel preis. Ich beschloss daher, Herrn Simmel persönlich zu schreiben. Von Hand. Da eine persönliche Adresse nicht aufzufinden war, schrieb ich an seinen Verlag. Ich erläuterte mit blauer Tinte auf gutem Papier in schönster Handschrift meine Situation und stellte meine Fragen, steckte alles in einen grünen Umschlag, setzte auch noch ein dunkelrotes Wachssiegel mit Siegelabdruck darauf und schickte es ab. Große Hoffnung auf Antwort hatte ich nicht – Herr Simmel sei sicherlich zu beschäftigt und ich viel zu unbedeutend, als dass man mich ernstnehmen sollte.

Die Tage vergingen ohne Antwort. Eines Tages – ich war grade erst aus dem Bett geklettert und rührte mir noch schlaftrunken einen Kaba an – schellte um 8 fröhlich das Telefon. Ich balancierte den Kaba zum Fernsprechapparat, hob ab und nuschelte ein gedehntes „Jaaa?“ in den Hörer.

Simmel am Morgen

„Hier Simmel“, dröhnte eine wohltönende Stimme aus dem Hörer, der mir fast aus der Hand fiel. Kaba kleckste auf Schlafanzughose und Boden. Ich war schlagartig wach und außer mir vor Freude. Während Johannes Mario Simmel schon sprudelnd erzählte, angelte ich einen alten Ringbuchblock und schrieb fleißig mit. Ich hatte weder ein Aufnahmegerät noch gab es damals entsprechende Smartphones mit Aufnahmefunktion. Anfangs beantwortete er noch meine Fragen geduldig, aber dann legte er einfach los und nahm sich richtig Zeit. Er hatte sichtlich Spaß daran, mir mit einer Verve zu erzählen, wie er nach der Bucherscheinung mit einem Eiweißschock im Krankenhaus lag, weil er natürlich auch all den Kaviar aufaß, den er von begeisterten Fans zu all den Glückwünschen in Massen mitgeschickt bekommen hatte. Als würde er es einer Reporterin frisch nach Drucklegung erzählen. Er hätte sich auch sehr gefreut, dass sich noch jemand so Junges mit seinen Büchern beschäftigen würde.

So unterhielten wir uns also eine knappe halbe Stunde. Danach war ich völlig geflasht. Das Interview baute ich im Wortlaut in die Hausarbeit ein. Es war eine meiner ersten Hausarbeiten in diesem Fach. Ich erhielt dafür eine zwei, aber mit der Bemerkung von Prof. Dr. Doering-Manteuffel, dass sie äußerst beeindruckt gewesen wäre von meiner Initiative. Das gab mir damals enormen Auftrieb für mein weiteres Studium. Fragen, fragen, fragen. Wenn man was nicht weiß, dann muss man jemanden finden, der was weiß. Hartnäckigkeit und Biss, bis man das weiß, was man wissen will.

So versemmelt man nichts – in diesem Fall war die Arbeit aber komplett versimmelt.

Mehr zur Biografie von Johannes Mario Simmel hier (Bericht aus Der Tagesspiegel).

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