Beethovens & Mozarts verschollenes Oboenkonzert – Spur in Augsburg

Oboenkonzert von Beethoven UND Mozart – heiße Spur in Augsburg © Collage mit Bildern der wikimedia.commons (gemeinfrei)
Oboenkonzert von Beethoven UND Mozart – heiße Spur in Augsburg © Collage mit Bildern der wikimedia.commons (gemeinfrei)

Seit 2002 gibt es nichts Neues mehr zu Beethovens verschollenem Oboenkonzert, von dem nur noch Stückelwerk existiert. Das originale Manuskript zu Mozarts Oboenkonzert fehlt ebenfalls – komplett. Auch Abschriften oder einzelne Teile davon sind nicht bekannt, von Mozarts Werk besteht immerhin eine Kopie in Salzburg. Ein Zufall, dass beide Originale fehlen? Nein. Ob man mit meinen neuen Spuren diesem alten Rätsel der Musikwissenschaft nun auf die Spur kommen kann?

2017 wurde in Salzburg ein Hinweis auf das Mozartsche Werk entdeckt – dort wurde es zumindest gespielt, aus dem Originalmanuskript. Ab da verlief sich die Spur wieder. Bis jetzt. Im Spätsommer 2019 fand ich erste weitere Hinweise durch meine langjährige Beschäftigung mit historischen Augsburger Tageszeitungen, von denen ich bislang neun zwischen 1746 und 1885 auf Musik- und andere interessante Meldungen untersucht habe.

Geheimnis in der unteren Altstadt?

Dadurch weiß ich, wo sich beide Original-Manuskripte zeitgleich befunden haben. Nicht bei Diabelli oder Artaria in Wien, sondern – genau – in Augsburg. Und sie standen dort in Zusammenhang mit dem Wirken des bislang völlig unbekannten Oboisten und Flötisten des historischen Augsburger Stadttheaters – Konrad Reichardt –, der auf diese Werke ein Auge hatte oder – wenn er schlau genug war (und das war er) – sich Abschriften davon angefertigt haben könnte! Und wer beide Werke nach Augsburg brachte, wo sie gespielt wurden und wie sie beim Publikum ankamen. Konrad Reichardt war nämlich der Schüler einer ganz, ganz großen musikalischen Wiener Ikone der Zeit: Ernest Krähmer.

Oboenkonzert und Abschriften?

Könnten sich Abschriften beider Oboenkonzerte, die Reichardt ggf. von den Originalen anfertigte, evtl. noch in der Fuggerstadt in unbekanntem Nachlass befinden? Falls ja, wären das gleich zwei Sensationen auf einmal. Auch ist eine historische Komponistin in diesen “Fall” involviert, die Klarinettistin Caroline Krähmer geb. Schleicher. Wo fand das Konzert aus Manuskripten statt? Wer dirigierte es? Wo ein Orchester, da Stimmenpartituren und eine große Partitur für den Dirigenten. Wer waren die Augen- und Ohrenzeug:innen dieses Konzerts? Und welche hochspannenden Angelegenheiten, Weltstars und Konzertorte gab es sonst noch in Augsburg?

Peu à peu
Poster © Susanne Wosnitzka
Poster © Susanne Wosnitzka

Zu meinen Funden erzählte ich erstmals im Beethoven-Symposium in Bonn Ende September 2021 in einer Postersession der Gesellschaft für Musikforschung. Eine Veröffentlichung meiner Forschung sollte im Jubiläumsband zum Beethovenjahr 2020 des Beethoven-Hauses Bonn erfolgen, was durch Corona bis heute nicht geschehen konnte. Die Forschungsabteilung des Beethoven-Hauses Bonn war jedenfalls völlig aus dem Häuschen über meine Funde, die von diesem als bedeutender Meilenstein in der Beethoven- und Mozart-Forschung bewertet sind. Und das sind sie auch für die Augsburger Musikgeschichte. Im kleinen Konzertzimmer des Bonner Beethovenhauses konnte ich am 28. September 2021 anhand eines Posters meine Funde vorstellen, wo es vier Tage lang öffentlich zu sehen war. Das fachkundige Publikum vor Ort war darüber sehr begeistert, auch SWR Classic interviewte mich dazu (13. September 2021)

Es muss ans Licht!

Da ich nun nicht länger mit einer Veröffentlichung warten kann, da ich erfahren habe, dass sich jemand anderes ebenfalls auf die Suche danach begeben hat, habe ich meinen überarbeiteten Essay als open access heute (Beethovens Tauftag, 17. Dezember 2022) der Weltöffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Sie finden die deutsche Version Beethovens und Mozarts verschollene Oboenkonzert-Manuskripte – eine gemeinsame ‚heiße Spur‘ in Augsburg als downloadbare kostenlose PDF-Datei hier (sowie veröffentlicht auf hcommons.org und academia.edu).

Find the English version here Beethoven’s and Mozart’s Lost Oboe Concerto Manuscripts: A New Lead in Augsburg also as a downloadable free PDF file (as well as published on hcommons.org and academia.edu).

Für diesen Essay, der vielleicht zum Auffinden der Originale beitragen kann, habe ich über zwei Jahre über die aufgefundenen Sachen geschwiegen, um ganz sicher zu gehen; habe unzählige Korrespondenzen geführt mit anderen Forscher:innen und mich ausgetauscht; nutzte in der ärgsten Corona-Zeit im Frühling 2020 eigentlich abgesperrte Büchereitrakte, um an Forschungsliteratur zu gelangen und um schreiben zu können. Hier stand ich und konnte nicht anders. Und das haben wir jetzt davon.

Ich bedanke mich bei allen, die mich auf diesem spannenden und manchmal schwierigen Weg begleitet haben, besonders Anne Midgette für die behutsame und wissende Durchsicht meiner Artikel-Übersetzung ins Englische, an Austin Glatthorn PhD als wissender Ratgeber, an Dr. Nicola Buckenmaier für fantastischen wissenschaftlich-tiefen Austausch und Prof. Dr. Annegret Huber für genau passende Kontaktvermittlung.

+++Update 1. März 2024+++
Ab sofort findet sich mein wissenschaftlicher Aufsatz dazu in leicht aktualisierter Version auch im Fachmagazin rohrblatt (hrsgg. von Dr. Heike Fricke), Ausgabe Nr. 39, März 2024 (Heft 1), S. 15–22.

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„Mit großem Interesse und Gewinn habe ich Ihren Artikel über die Manuskripte der Oboenkonzerte von Beethoven und Mozart gelesen und war wie von einem Krimi gefesselt! Mich beeindruckt die Detailtiefe, mit der Sie insbesondere das Augsburger Musikleben seziert haben, sehr und ich ziehe anerkennend den Hut! Ich danke Ihnen vielmals für das Teilen Ihrer Erkenntnisse!“ – Simon Kannenberg, Musikwissenschaftler/Dirigent

3 Gedanken zu „Beethovens & Mozarts verschollenes Oboenkonzert – Spur in Augsburg“

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