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… offenbar von niemandem gefeiert wird. Weder in ihrer Heimatstadt Augsburg noch in Wien und anderen Klassikkreisen wird Nannette Streichers diesjähriger 250. Geburtstag (2. Januar 1769) gefeiert oder wertgeschätzt, obwohl die Musikkulturwelt ohne sie und ihr Instrumentenbaugenie wesentlich ärmer geblieben wäre. Sie ist eine der sog. „vergessenen“ Frauen bzw. deren Leistungen nach ihrem Tod bagatellisiert und/oder wie beiläufig abgetan und dadurch lange von der Musikgeschichtsschreibung übergangen wurde.
Das heute eher beschaulich wirkende Augsburg war zu Nannettes Lebzeiten ein geradezu begehrter Schmelztiegel der Kulturgeschichte. Besonders die Goldene Traube in der heutigen Maximilianstraße (damals Weinmarkt) mit mehreren Konzert- und Veranstaltungssälen war Hauptumschlagsplatz bürgerlicher Musikkultur neben dem privaten Fuggerischen Konzertsaal, der ums Eck am Zeugplatz lag, und den Sälen der Zunfthäuser, in denen Veranstaltungen der bürgerlichen Collegia musica stattfanden. Daneben war Augsburg hochbedeutendes Zentrum des Presse- und Verlagswesens, auch durch die Musikverlagshäuser von Johann Jakob Lotter, Anton Böhm & Sohn und später Andreas Gitter[1].
Nannettes Wurzeln
Nannette Streichers Vater Johann Andreas Stein (1728–1792) wirkte als einer der bedeutendsten Klavierbauer Europas am oberen Ende der Maximilianstraße, am heutigen Ulrichsplatz Nr. 10. Dort stand sein Wohnhaus (obere Etagen), das im Erdgeschoss eine Werkstatt für Klavierbau enthielt. Stein entwickelte die sog. Prellzungenmechanik bedeutend weiter, mit dem forte (laut) und piano (leise) gespielt werden konnte – daher der Name Fortepiano oder Pianoforte für diese Art Tasteninstrument.
Stein erkannte das Talent seiner Tochter, die er wie seine Söhne zu einer hervorragenden Instrumentenbauerin von Kindesbeinen an ausbildete. An dieser Stelle sei gesagt, dass mein Schreibprogramm das Wort „Instrumentenbauerin“ rot als „falsch“ unterkringelt. Dabei bewies gerade Nannette, dass Frauen dieses Gewerbe ebenfalls meisterinnenhaft beherrschen können. Als Sängerin und Pianistin debütierte sie 1776 als Siebenjährige in einem Konzert in der Augsburger Geschlechter- bzw. Patrizierstube und erhielt aus Verehrung eine Medaille überreicht.[2] In die Klavierschule ging sie bei Ignaz von Beecke (1733–1803), allerdings muss seine Art zu unterrichten nicht unbedingt förderlich gewesen sein. Als nämlich Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791) die dann Achtjährige bei einem weiteren Konzert in Augsburg hörte, fand er ihre Art zu spielen so grauenvoll, dass er mit seinem Vater Leopold darüber sprach: „Sie kann werden: sie hat genie. aber auf diese art wird sie nichts“ (Brief an Leopold Mozart, 24. Okt. 1777). Er sprach ausführlich mit Stein über ihre Fehler und das zweifelhafte Vorbild Beeckes: „H: stein und ich haben gewis 2 stund mit einander über diesen Punct gesprochen. ich habe ihn aber schon Ziemlich bekehrt. er fragt mich iezt in allen um rat“.[3]
Wiener Luft schnuppern
Im selben Jahr nahm Johann Andreas Stein seine Tochter mit auf eine Reise nach Wien, die dort als Verkaufsberaterin die neuesten Instrumente ihres Vaters in illustren Kreisen fachkundig vorführte und erklärte.[4] Möglicherweise erkannte die Achtjährige bereits damals das Potenzial Wiens als Musikstadt – im Gegensatz zu Augsburg, das damals hauptsächlich vom Handwerk lebte.
1786 lässt sich in den Augsburger Zeitungen erstmals Johann Andreas Streicher (1761–1833) nachweisen, der 1782 zusammen mit seinem besten Freund Friedrich Schiller (1759–1805) aus der – für ihre brutale Erziehungsmethoden berüchtigte – Stuttgarter Karlsschule geflüchtet war.[5] Er übernachtete im Weißen Lamm, das später für Ludwig van Beethoven (1770–1827) eine bedeutende Übernachtungsstation war. 1786 lässt sich Streicher als Pianist und Musiklehrer in München nieder, kehrt aber immer wieder nach Augsburg zurück, wie weitere Meldungen aus Augsburger Zeitungen belegen. Wann und wie genau er Nannette kennengelernt hatte, ist unbekannt. Jedenfalls war die Steinsche Werkstatt das A&O für Pianist:innen in dieser Zeit. Auch Leopold Mozart (1719–1787) – ein geborener Augsburger – hatte dort ein Reiseklavier für seine beiden Wunderkinder Wolfgang Amadé und Nannerl (1751–1829) erworben: „Da kein Reisender, noch weniger aber ein Musiker von Bedeutung den Weg über Augsburg nahm, ohne den berühmten Stein zu besuchen, und dieser mit Stolz die Talente seiner Tochter und dreyfachen Schülerin geltend zu machen wusste; so erhielt sie schon in frühen Jahren einen sehr ausgebreiteten Ruf, der noch durch verschiedene Reisen vermehrt wurde.“[6]
Freundschaftliche Beziehungen
Wie Nannette in der Stadt verwoben war, zeigt eine Komposition aus ihrer Feder, die sie über den frühen Tod ihrer besten Freundin Ursula Sabina Stage (gest. 1788) verfasst hat, die die Tochter des bedeutendsten Druckers der Stadt – Konrad Heinrich Stage (1728–1796) – war.[7] Eine weitere gute Freundin war die Pianistin und Komponistin Anna (Nanette) von Schaden (1763–1834), die als Hofpianistin in Oettingen-Wallerstein angestellt (!) war und als wichtigste Mäzenin und Verbindung zum jungen Ludwig van Beethoven – zusammen mit ihrem Mann, dem Augsburger Ratsherrn Joseph von Schaden (1754–1814) – gilt.
Eines der Steinschen Vorführinstrumente war mit allen Schikanen ausgestattet: Mit Kniehebeln, mit denen man zum Beispiel die Ton- und Klangfärbung des Instruments verändern konnte. Davon schrieb niemand Geringeres als Johann Friedrich Reichardt (1752–1814), einem der bedeutendsten MusikerInnen und KomponistInnen Berlins, der 1789 auf Durchreise nach Italien auch durch Augsburg kam[8] und folgendes Urteil über Werk, Schöpfer und Spielerin hinterließ: „Meinen Tag hab’ ich hier sehr musikalisch zugebracht, getheilt zwischen der Frau von Schaden, die unter allen musikalischen Damen, die ich kenne, selbst die Pariserinnen nicht ausgenommen, bei weitem die größte Klavierspielerin ist, ja an Fertigkeit und Sicherheit vielleicht von keinem Virtuosen übertroffen wird; auch singt sie mit vielem Ausdruck und Vortrag, und ist in jedem Betracht eine angenehme, interessante Frau; – und dem berühmten Instrumentenmacher Stein und seiner Familie. Er hat seiner 17 bis 18jährigen Tochter ein ganz originelles herrliches crescendo forte-piano gemacht, das sie meisterlich spielt. Es sind Züge dabei angebracht, die das Crescendo vom allerleisesten Hauch bis zum Donnerwetter geben, und die sie alle mit den Knien während dem Spielen regiert. So hat sie ein vollständiges Orchester unter ihren beiden Händen.“[9]
Neue Freiheit
1792 starb Johann Andreas Stein, sein Tod wird in den Augsburger Zeitungen nicht erwähnt. Nannette übernahm zusammen mit ihren Brüdern das väterliche Geschäft, heiratete Johann Andreas Streicher im Jahr darauf und beschloss, das Geschäft nach Wien zu verlegen. 1794 war es soweit. Man hatte in Wien eine geeignete Lokalität gefunden, die zwar noch nicht ideal war, aber als Ausgangspunkt für den Wiener Ruf der Streicher-Steins galt. Mehrere Umzüge waren nötig, bis in der Ungargasse 334 (heute Nr. 46 – in Haus Nr. 5 vollendete Ludwig van Beethoven 1824 seine 9. Sinfonie) das endgültige Domizil gefunden war (abgerissen 1959). Bereits kurz nach dem Umzug nach Wien wurden die Streicher-Stein-Klaviere mit den damaligen Marktführern aufgewogen.[10] Die Qualität dieser Instrumente ließ auch Ludwig van Beethoven aufhorchen, der über einen für ihn produzierten Flügel Folgendes schrieb: „was wahrlich vortrefflich gerathen ist, jeder andre würde es suchen an sich zu behalten, und ich – lachen sie ja recht, ich müßte lügen, wenn ich ihnen nicht sagte, daß es mir zu gut ist für mich, und warum? – weil es mir die Freiheit benimmt, mir meinen Ton selbst zu schaffen“.[11]
Er konnte sich die Freiheit nehmen, sich seinen Ton selbst zu schaffen. Heute kauft man neue Flügel aus der Fabrik oder Manufaktur, die durchgenormt sind und mit einem in der Fabrik angelegten Klangbild ausgeliefert werden, das man „einspielen“ kann oder muss. Beethoven konnte den Klang des Instruments mitbestimmen. Er konnte gezielt sagen, worauf es ihm bei einem Instrument ankommt und worauf nicht, was er eingebaut haben will und was nicht. Daher darf von den Streichers und Steins durchaus als ‚Übersetzer:innen‘ gesprochen werden – die fähig waren, eine innen liegende Klangwelt einer Person auch für Außenstehende erlebbar und so wirklichkeitsgetreu wie möglich hör- und darstellbar zu machen. Nannette hatte ihren Mann Johann Andreas in die Klavierbaukunst eingeweiht, der dadurch ebenso in der Lage war, Klaviere und Flügel zu bauen und zu gestalten.
Nachlass – wohin?
Am 11. August 1800 starb Nannettes Mutter Maria Regina im Alter von 58 Jahren in Augsburg. Am 9. September 1800 findet sich eine Anzeige im Augsburgischen Intelligenz=Zettel, in der die Auflösung des Steinschen Haushaltes und Nachlasses verkündet wird, „worinn Geschmuck und Ringe mit guten Steinen, Perlen, Silber, Herren= und lange Frauenkleider, Spitzenanzüge, Weißzeug, Zinn, Kupfer, Messing, Porcellaine und Glasgeschirr, Better und Bettstadten, nußbaum= und feichtene Schreib=Kommod= und langthürige Kästen, ein Kistlers Handwerkszeug, und andere nützliche Hausfahrniße. Ferner eine große Sammlung gestochener und geschriebener Musicalien [Original-Manuskripte?], über 500 Stück von den besten Meistern. Z. B. Mozart, Pleyel, Kozeluch, Wranitzki, Hayd`n [sic], Clementi & c. die aufs Clavier, mit und ohne Begleitung, Sonaten, Duetts, Trios, Quartets, Synfonien, Italienische Arien, ganze große complete Singstücke. Instrumente, als zwey besonders schöne englische Flöten mit silbernen Klappen ganz neuer Invention, ein Violoncella [sic] 2 gute Bratschen, mehrere Violins, worunter einige von dem berühmten Wenger, und zwey Clavier, welches alles an die Meistbietende gegen sogleich baare Bezahlung erlassen wird, auch das Haus […] täglich zu verkaufen“ ist.[12] Damit beauftragt wurde ein Hausverwalter. Möglicherweise hatte Nannette diesen von Wien aus damit bestellt. Ob sie zur Beerdigung ihrer Mutter auf dem protestantischen Friedhof nach Augsburg gekommen war, ist unbekannt. Ebenso unbekannt ist, was mit diesen gestochenen und handgeschriebenen Musikalien weiter geschehen ist bzw. wer diese sowie die Instrumente, Werkzeuge etc. erworben hat. Bei einem Verbleib dieser Objekte innerhalb der Familie wäre wohl keine solche Anzeige aufgesetzt worden.
Konzerthighlights
1811 wurde die Wiener Werkstatt um einen Konzertsaal mit Platz für 300 Menschen bereichert, wodurch die Streicher-Steins in der Lage waren, ihre Klaviere in Konzerten einem größeren Publikum schmackhaft zu machen und bekannten und unbekannten PianistInnen einen Raum für ihr Können zu bieten:
„Um 11 Uhr fuhr ich in eine musikalische Akademie bei H. Streicher, einen sehr geschätzten Clavierlehrer, dessen Frau Nanette Streicher, eine Tochter des berühmten Instrument[en]machers Stein [und] Vorsteherin der berühmten Instrumenten Fabrik ist, welche unter ihrem Namen lnstrumente liefert, welche mit Recht zu den geschätztesten Pianofortes gehören, die hier gearbeitet werden. Das Auditorium bestand aus lauter wahren Musicliebhabern, es war daher die größte Stille. Der Saal war mit den Büsten berühmter Clavierspieler u. Spielerinnen [!] decorirt. Erzherzog Rudolph, Prinz Louis Ferdinand v. Preußen, Fräulein [Magdalena] Kurzböck, Frau [Henriette] v. Pereira, Frl. [Fanny] Haan, Gräfin [Franziska] Mejean, geb. v. Spielmann, Nanette Streicher p [= perge, etc.] auch Haydn u. Beethoven“, berichtet Henrich zu Stolberg-Wernigerode (1772–1854) von einer Matinée des Jahres 1814.[13]
Selbstständigkeit
Nannette hatte sich bereits 1802 von ihrem Bruder als Geschäftsmitinhaber getrennt und arbeitete fortan unter ihrem eigenen Namen „Nannette Streicher neé Stein“ – ihr Ehemann war dadurch ganz klar als „nur“ Mitarbeiter und nicht als Teilhaber oder Inhaber bzw. Vormund gekennzeichnet; im Gegensatz zu vielen anderen Frauen (als Beispiel sei hier die Komponistin und Pianistin Amy Beach (1867–1944), die unter dem Namen ihres Ehemannes auftreten mussten (wenn sie dies überhaupt durften). Eine weitere Anekdote zu Beethoven hinterließ der Dirigent und Komponist Franz Lachner (1803–1890):
„Eines Tages war ich allein dort [im Haus der Streichers] und saß am Flügel neben Nannette Streicher, welche eben das große B-dur-Trio von Beethoven op. 97 studirte. Da trat plötzlich Beethoven, auf dessen Hauswesen Frau Streicher viel Einfluß hatte, in das Zimmer, eben als wir bis zum Anfange des letzten Satzes gelangt waren. Er hörte unter Anwendung des stets in seiner Hand befindlichen Hörrohres einige Augenblicke zu, zeigte sich aber alsbald mit dem zu zahmen Vortrage des Hauptmotivs des Finale nicht einverstanden, sondern beugte sich über die Clavierspielerin hinüber und spielte ihr dasselbe vor, worauf er sich alsbald wieder entfernte. Ich war von der Hoheit seiner Erscheinung, seinem energischen Auftreten und der unmittelbaren Nähe seiner imposanten Persönlichkeit in solchem Grade aufgeregt und erschüttert, daß ich geraume Zeit brauchte, bis ich wieder in ruhige Verfassung kam.“[14]
Darüber hinaus ist Nannettes Freundschaft zu Beethoven in über sechzig Briefen dokumentiert, in denen er sie auch um Rat und Hilfe in Haushalts- und Erziehungsfragen bat, nachdem er die Vormundschaft für seinen Neffen Karl erhalten hatte. Eintragungen in den Konversationsheften des Komponisten belegen, wie eng der Kontakt zwischen Beethoven und der Familie Streicher war. Nannettes Tochter Sophie (1797–1840) entwickelte sich zu einer gleichfalls begabten Klavierspielerin, die auch mit ihrer Mutter auftrat.
Übersetzung mit Gruselfaktor
Nannette hatte noch ein weiteres Talent: Sie arbeitete auch als Übersetzerin aus dem Französischen, besonders an den Werken des Schädelforschers Franz Joseph Gall (1758–1828)[15], der damals in ganz Europa für Aufsehen und Furore sorgte, indem er bestimmten Schädelregionen bestimmte Betätigungs- und Begabungseigenschaften des Menschen zuordnete. Seine Vorlesungen waren historischen Berichten in verschiedenen Augsburger Zeitungen zufolge unfassbare Sensationen und zogen die Menschen in Massen an, zu denen – im Gegensatz zu medizinischen Vorlesungen und Kursen an Universitäten – auch Frauen Zutritt hatten. Aus dieser Faszination entwickelte sich dann auch das Problem, dass frische Gräber heimlich wieder geöffnet wurden, um Leichen und Leichenteile zu entnehmen und sich auch eine makabre Souvenirjagd daraus entwickelte. Aus diesem Grund hat Friedrich Schiller zwei Schädel – man weiß bis heute nicht, welcher sein echter ist.
Nach mehrmonatigem Leiden starb Nannette am 16. Januar 1833 an einem Lungenödem und wurde zunächst auf dem St. Marxer Friedhof beigesetzt. Nach dessen Schließung 1874 wurde sie in ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof umgebettet, in dem auch ihr Ehemann und ihr Sohn Johann Baptist Streicher (1796–1871) bestattet liegen.[16] Letzterer hatte Hab und Gut und Firma der Mutter geerbt, erstellte aber in Haus Nr. 27 (heutiger Neuer Streicherhof) einen eigenen weiteren Konzertsaal. Warum der alte mit seinen 300 Plätzen nicht ausreichte oder nicht (mehr?) genügte, ist unklar. Dorthin zog später der Mechanikus Jakob Degen (1760–1848) ein, der durch seine Flugversuche mit lenkbaren Heißluftballonen für Aufsehen sorgte, aber heute ebenfalls sehr vergessen ist. Der Konzertsaal der Streichers dürfte für seine Experimente ideal gewesen sein, die er dann vor Publikum zum Beispiel in der Hofreitschule öffentlich vorführte. Im Gegensatz zu Nannette bekam er kein Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof, sondern verblieb in St. Marx (ganz oben ganz hinten links an der Friedhofsmauer)[17] – seine Künste sind wieder eine neue Geschichte wert.
Nachwirken
Nannette Streicher schuf mit ihrem Musikverständnis in Kombination mit ihrer meisterlichen Handwerkskunst also Gerätschaften, die bis heute in der Lage sind, Beethovens Klangwelt mehrdimensional nachzubilden – eigentlich unverzichtbar, wenn man Beethovens Musik generell seinem Empfinden nach spielen will, da er ja den Klang eines modernen Flügels nicht kennen konnte. Eines ihrer Instrumente befindet sich heute in Augsburg im Besitz des Internationalen Violinwettbewerbs Leopold Mozart, das allerdings wohl mehrere Umbauphasen und eine nicht sachgemäße Restauration zum Beispiel der Lackoberfläche durchleben musste. Ist es erst einmal gestimmt, ist sein Klang silberhell und zauberschön. Ähnliche Klaviere dieser Art finden sich im Greifenberger Institut für Musikintrumentenkunde am Ammersee. Dort befinden sich Flügel und Claviere aus nahezu jedem Jahrzehnt, die besonders zum musikalischen Vergleich der Entwicklungen einladen.
Zwar wurde Nannettes diesjähriger 250. Geburtstag vergessen, aber immerhin könnte sie als bedeutender Teil von Beethovens Schaffen auch in seinem kommenden Jubiläumsjahr 2020 noch berücksichtigt und gefeiert werden – wenn sie und ihre Leistungen denn auch entsprechend wertgeschätzt werden würden. Die Aufmerksamkeit auf und ein Bewusstsein für weibliches Schaffen fehlen leider noch viel zu oft. Nicht nur in der Musikgeschichte.
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Nannettes Geschichte in Augsburg erlebbar: Mittwoch, 6. Mai 2020, Montag 1. Februar 2020, 19:30 Uhr, Haus St. Ulrich Augsburg. Vortrag von und mit mir zu Augsburger Komponistinnen. Ihre Lebensstationen sind auch in meinen Stadtspaziergängen erlebbar.
Hörtipps: Peter Hörr (Violoncello)/Liese Klahn (Pianoforte): Beethoven Sonatas | Heidi Kommerell (Pianoforte): Lieder ohne Worte
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Einzelnachweise
[1] Deren sämtliche Verkaufsanzeigen bzw. Verlagserscheinungen der Jahre 1746–1852 in Augsburger Tageszeitungen noch unveröffentlicht durch Susanne Wosnitzka aufgezeichnet.
[2] Vgl. Christian Friedrich Daniel Schubart: Deutsche Chronik. 30tes Stück, den 11. April, 1776, S. 239.
[3] Vgl. Brief an Leopold Mozart, 24. Okt. 1777. Vgl. Uta Goebl-Streicher: Art. Nannette Streicher, in: Freia Hoffmann (Hg.): Sophie Drinker Institut Online: https://www.sophie-drinker-institut.de/streicher-nanette (Stand: 30.12.2019).
[4] Vgl. Klaus Martin Kopitz: Art. Nannette Streicher, in: Beatrix Borchardt/Nina Noeske (Hg.): MUGI – Musik und Gender im Internet: https://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Nannette_Streicher.pdf (Stand: 30.12.2019) https://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Nannette_Streicher.pdf (Stand: 30.12.2019), S. 1f.
[5] Vgl. Augsburgischer Intelligenz=Zettel. Num. 17. Montag den 24. April. 1786, S. 72.
[6] Vgl. Allgemeine musikalische Zeitung, Jg. 35, Nr. 23 vom 5. Juni 1833, hier Sp. 374f. Zit. nach Klaus Martin Kopitz: Art. Nannette Streicher, in: Beatrix Borchardt/Nina Noeske (Hg.): MUGI – Musik und Gender im Internet: https://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Nannette_Streicher.pdf (Stand: 30.12.2019), S. 2.
[7] Klage über den frühen Tod der Jungfer Ursula Sabina Stage. Für eine Singstimme und Klavier (c-Moll), Augsburg 1788.
[8] Er übernachtete als „kön. preußischer Kapellmeister“ im Hotel Drei Mohren, ca. 250 m vom Haus der Steins entfernt. Vgl. Augsburgischer Intelligenz=Zettel. Num. 48. Montag den 30. Nov. 1789, S. 194.
[9] Vgl. Friedrich Ludwig Aemilius Kunzen/Johann Friedrich Reichardt (Hg.): Musikalisches Wochenblatt. Heft 1. Berlin 1793, S. 30. Zit. nach Klaus Martin Kopitz: Art. Nannette Streicher, in: Beatrix Borchardt/Nina Noeske (Hg.): MUGI – Musik und Gender im Internet: https://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Nannette_Streicher.pdf (Stand: 30.12.2019), S. 2f.
[10] Vgl. ebda., S. 3.
[11] Vgl. Sieghard Brandenburg (Hg.): Ludwig van Beethoven, Briefwechsel. Gesamtausgabe. Bd. 1. München 1996, S. 33. Zit. nach Klaus Martin Kopitz: Art. Nannette Streicher, in: Beatrix Borchardt/Nina Noeske (Hg.): MUGI – Musik und Gender im Internet: https://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Nannette_Streicher.pdf (Stand: 30.12.2019), S. 3.
[12] Erstveröffentlichung. Fund durch Susanne Wosnitzka im Zuge ihrer Dissertationsforschung zur Musikgeschichte der Goldenen Traube (in Arbeit). Vgl. Augsburgischer Intelligenz=Zettel. Nro. 33. Dienstag, den 19 Aug. 1800, S. 4 u. ebda. Nro. 36. Dienstag, den 9. Sept. 1800, S. 3.
[13] Vgl. Sieghard Brandenburg (Hg.): Ludwig van Beethoven, Briefwechsel. Gesamtausgabe. Bd. 4. München 1998, S. 77. Zit. nach Klaus Martin Kopitz: Art. Nannette Streicher, in: Beatrix Borchardt/Nina Noeske (Hg.): MUGI – Musik und Gender im Internet: https://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Nannette_Streicher.pdf (Stand: 30.12.2019), S. 5f.
[14] Vgl. Klaus Martin Kopitz/Rainer Cadenbach (Hg.): Beethoven aus der Sicht seiner Zeitgenossen. Bd. 2. München 2009, S. 963–968. Zit. nach Klaus Martin Kopitz: Art. Nannette Streicher, in: Beatrix Borchardt/Nina Noeske (Hg.): MUGI – Musik und Gender im Internet: https://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Nannette_Streicher.pdf (Stand: 30.12.2019), S. 6.
[15] Vgl. Uta Goebl-Streicher: Art. Nannette Streicher, in: Freia Hoffmann (Hg.): Sophie Drinker Institut Online: https://www.sophie-drinker-institut.de/streicher-nanette (Stand: 30.12.2019).
[16] Vgl. Klaus Martin Kopitz: Art. Nannette Streicher, in: Beatrix Borchardt/Nina Noeske (Hg.): MUGI – Musik und Gender im Internet: https://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Nannette_Streicher.pdf (Stand: 30.12.2019) (Stand: 30.12.2019).
[17] Vgl. unveröffentlichte Funde von Susanne Wosnitzka im Zuge ihrer Dissertationsforschungen.
7 Gedanken zu „Nannette Streicher – die Frau, die zweimal feiern könnte, aber…“
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